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Cartoon: Kittihawk

"Bürgergeld-Hammer", "Stütze-Hammer" – bei der BILD ist alles nur noch "voll der Hammer". Nur mit hammerharten Belegen kann Deutschlands nach wie vor größte Boulevardzeitung oftmals nicht aufwarten. Anfang November titelte die BILD "Vierfach-Mama Angelina: Ich spare 1.000 Euro im Monat – mit Bürgergeld!" und legte damit nahe, das Bürgergeld sei zu hoch. Und wenn es zum 1. Januar 2024 noch einmal um rund 60 Euro steigen wird, dann sei es viel zu hoch. Der Haken an der BILD-Story: Angelina bezieht überhaupt kein Bürgergeld, sondern Arbeitslosengeld. So steht's auch im Artikel gleich zu Beginn ein einziges Mal, ab dann ist nur noch von Bürgergeld die Rede. Das ist echt ein Hammer.

In der Öffentlichkeit bleibt trotzdem hängen: Menschen, die Bürgergeld beziehen, werden vom Staat gepampert, und zwar so sehr, dass es sich für sie nicht mehr lohnt, einer Arbeit nachzugehen. Das Bild von der sozialen Hängematte – es wird erneut von vielen Seiten bedient.

Zuletzt machte sich am ersten Dezember-Wochenende Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) am Bürgergeld zu schaffen und forderte eine Verschiebung der Erhöhung. "Die Ampel muss die für Januar vorgesehene Erhöhung um ein Jahr verschieben und noch einmal völlig neu ansetzen", sagte Söder dem stern. Es bräuchte mehr Motivation, um arbeiten zu gehen. Die Balance zwischen Fördern und Fordern müsse stimmen. So hat zuvor auch schon der Vorsitzende der CDU, Friedrich Merz, argumentiert. Und auch der Generalsekretär der FDP, Bijan Djir-Sarai, erklärte zuletzt: Es könne nicht angehen, dass die Regierung in Zeiten knapper Kassen und mit der niedrigsten Inflation seit 2021 das Bürgergeld um 12 Prozent erhöhe. Dabei wissen die drei Politiker ganz genau, dass das Bürgergeld nicht aus lauter sozialer Spendierfreude der Ampel angehoben wird. Die Berechnung der Bürgergeld-Regelsätze erfolgt aufgrund statistisch erfasster Daten von rund 60.000 Haushalten aus den unteren 20 Prozent der Bevölkerung zu ihren Einnahmen und Ausgaben, Bürgergeld- und Sozialhilfe-Empfänger*innen werden nicht berücksichtigt.

Entscheidend für die Höhe der Regelsätze sind dabei zuvorderst Kosten für Ernährung, Kleidung, Körperpflege, Hausrat, Haushaltsenergie (ohne Heizung und Warmwasser). Wer wie der FDP-Mann von der niedrigsten Inflation seit 2021 spricht, verschweigt, dass gerade die Preise für Lebensmittel in den zurückliegenden drei Jahren enorm gestiegen sind, teils um 50 Prozent, und seither kaum wieder günstiger geworden sind. So betrachtet sind 12 Prozent mehr Bürgergeld kein Geschenk, sondern das Mindeste.

Rebecca Liebig, im ver.di-Bundesvorstand zuständig für die Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik, betont: "Die Erhöhung des Bürgergeldes um 61 Euro für alleinstehende Erwachsene gleicht lediglich die Preissteigerung aus und nicht mehr. Dieser Inflationsausgleich ist eine Vorgabe der Verfassung. Das Bundesverfassungsgericht hat 2014 entschieden, dass Preissteigerungen ausgeglichen werden müssen."

Es hilft, noch einen weiteren Blick zurückzuwerfen. Bereits im Februar 2010 urteilte das Bundesverfassungsgericht (BVerfG), dass die seit 2005 geltenden Hartz-IV-Regelsätze (Hartz-IV wurde zum 1.1.2023 durch das Bürgergeld ersetzt) für Erwachsene und Kinder gegen das Grundgesetz verstießen. Laut dem Urteil genügten die gesetzlichen Vorschriften nicht dem Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums nach Artikel 1 des Grundgesetzes. Im November 2019 legte das BVerfG nach und stellte fest, dass drastische, monatelange Minderungen der Regelsätze um 60 Prozent oder mehr mit dem Grundgesetz unvereinbar sind. Der Mensch dürfe nicht auf das schiere physische Überleben reduziert werden. Doch genau darauf wollen Merz, Söder und Co. nun Menschen im Bürgergeldbezug wieder zurückstutzen. Das Gesamtniveau sei zu hoch, es setze falsch Anreize, sagt Söder. "Wer arbeitet, muss erkennbar mehr bekommen als jemand, der nicht arbeitet."

Unverantwortliche Einsparungen

Bleibt die Frage, warum deshalb ausgerechnet bei denjenigen gekürzt werden soll, die ohnehin nicht viel haben? Warum der Neid zwischen Bürgergeldempfänger*innen und Niedriglöhnern geschürt wird? Das von Söder und anderen geforderte Lohnabstandsgebot ließe sich ohne Kürzungen herstellen, indem nämlich die Arbeit in den unteren Einkommensgruppen besser bezahlt wird. "Diejenigen, die jetzt mit Schaum vor dem Mund eine Bürgergeldrebellion ausrufen, sollten sich mal mit den Fakten befassen statt sich in ihren Angriffen auf die sozial Schwächsten ständig gegenseitig zu übertrumpfen", so der ver.di-Vorsitzende Frank Werneke.

Auch Marcel Fratzscher, Präsident des Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung, fordert höhere Löhne in den Niedriglohnbranchen. Die BILD fragte er im November auf dem Social-Media-Kanal LinkedIn zudem: "Liebe Bild-Zeitung: wieso fahrt ihr eine so massive Kampagne gegen das #Bürgergeld und fokussiert euch nicht auf ein auch finanziell sehr viel größeres Problem: #Steuerhinterziehung – dies kostet den deutschen Staat hundertfach mehr als der Betrug bei Sozialleistungen?" Auf 100 Milliarden Euro pro Jahr beziffert die Hans-Böckler-Stiftung den gesamtwirtschaftlichen Schaden bei den Steuern im Gegensatz zu 60 Millionen Euro bei den Lohnersatzleistungen.

Gute Löhne und ein striktes Vorgehen gegen Steuerflüchtlinge – so wird ein Hammer daraus.