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Foto: Craig Stennett/Getty Images

Der Bus kommt zu spät und der Busfahrer kann keine reguläre Pause machen. Oder er muss nach zwei Nachtschichten gleich wieder ran. Die Straßenbahn fällt aus, weil die Tramfahrerin krank ist. Ersatz gibt es keinen. Die beschriebenen Probleme sind keine Einzelfälle, sondern ein flächendeckender Ausdruck der schlechten Arbeitsbedingungen und des daraus folgenden Personalmangels im Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV).

Die Branche hat massive Probleme, Stellen zu besetzen, die Fluktuation der Beschäftigten ist überdurchschnittlich hoch und bald gehen geburtenstarke Jahrgänge in Rente. Die Bundesregierung muss dem massiven Personalmangel dringend mit besseren Arbeitsbedingungen und einer langfristigen Finanzierungsstrategie begegnen, um einen Zusammenbruch des ÖPNV zu verhindern. Das verdeutlicht eine neue Studie des Beratungsunternehmens KCW im Auftrag der Klima-Allianz Deutschland und ver.di. Bessere Arbeitsbedingungen seien zwingend nötig, um den ÖPNV aufrechtzuerhalten, heißt es in der Studie.

Bis 2030 werden knapp 50 Prozent der Beschäftigten im ÖPNV in Rente gehen oder dem Beruf aus anderen Gründen den Rücken kehren. Christoph Schaaffkamp, Geschäftsführer von KCW, sieht besondere Herausforderungen in der notwendigen großen Zahl der Neueinstellungen für eine doppelt so hohe Nachfrage. Die Bundesregierung hat das Ziel ausgerufen, die Fahrgastzahlen bis 2030 zu verdoppeln. Der Studie zufolge sind bis 2030 etwa 63.000 altersbedingt freiwerdende Stellen im kommunalen ÖPNV neu zu besetzen, um das derzeitige Angebot zu halten. Für eine Verdoppelung der Fahrgastzahlen bis 2030 sind etwa 87.000 weitere Fachkräfte notwendig, prognostiziert KCW.

Faire Löhne sind der Grundstein

"Dieser gewaltigen Lücke an Fachkräften müssen wir schon jetzt mit attraktiven Arbeitsbedingungen und guten Löhnen begegnen. Die Zeit des Lohndumpings muss endlich vorbei sein. Faire Löhne im ÖPNV sind der Grundstein für ein modernes und nachhaltiges Verkehrssystem", sagt Andreas Schackert, der bei ver.di die Fachgruppe Busse und Bahnen leitet. Dafür kämpft ver.di in den regionalen Tarifverhandlungen im ÖPNV.

Der größte Teil der kommunalen ÖPNV-Unternehmen ist den Tarifverträgen Nahverkehr (TV-N) unterworfen, die in den Bundesländern (außer Hamburg) durch den jeweiligen Kommunalen Arbeitgeberverband mit ver.di abgeschlossen und jeweils auch vor Ort verhandelt werden. Mit einer konzertierten Übergabe der Tarifforderungen in allen 16 Bundesländern hat ver.di letztes Jahr im Dezember die Tarifrunde TV-N 2024 gestartet. Die Tarifverträge regeln Arbeitsbedingungen (Mantel) und Entlohnung. Zu den Kernpunkten gehören Entlastungselemente wie mehr Urlaub, zusätzliche Entlastungstage für Schicht- und Nachtarbeit sowie eine Begrenzung unbezahlter Zeiten im Fahrdienst.

Unterstützt werden die Forderungen von ver.di für bessere Arbeitsbedingungen auch durch Aktivistinnen und Aktivisten von Fridays For Future (FFF). Darya Sotoodeh, Sprecherin von FFF betont: "Wir alle brauchen einen verlässlichen Nahverkehr, mit dem wir sicher und günstig zur Arbeit, in den Club oder nach Hause kommen." Kürzungen gingen auf Kosten der Beschäftigten. "Sie haben immer weniger Pausen, werden aufgrund der hohen Belastung immer öfter krank und nicht wenige verlassen deswegen ihren Job." Das müsse sich jetzt ändern. "Deswegen streiken wir gemeinsam mit den Beschäftigten im Nahverkehr. Damit sie bessere Arbeitsbedingungen und unser Nahverkehr eine Zukunft haben."

Obwohl die Probleme bekannt sind und überall Personal fehlt, starteten die Verhandlungen mit den Arbeitgebern stockend. Erst nach einer bundesweiten Warnstreikwelle, zu der ver.di Ende Februar aufrief, gab es erste Einigungen: bei der Hamburger Hochbahn, in Brandenburg, im Saarland, in Mecklenburg-Vorpommern, im Saarland und in Thüringen. Je nach Verhandlungen ging es um höhere Entgelte und/oder Entlastungen wie mehr Urlaub und Ausgleich für besondere Belastungen.

Andernorts aber provozieren die Arbeitgeber nun unbefristete Streiks: In Nordrhein-Westfalen haben sie vorzeitig die Tarifverhandlungen beendet. Noch vor Ostern leitet ver.di hier die Urabstimmung für den weiteren Arbeitskampf ein. Auch in Baden-Württemberg hat die ver.di-Tarifkommission die Verhandlungen für gescheitert erklärt und eine vierwöchige Urabstimmung in den Betrieben begonnen, bei der geklärt wird, ob die Beschäftigten in den unbefristeten Arbeitskampf gehen.

Solch harte Blockaden der Arbeitgeber passen nicht in die Zeit. Nur mit guten Arbeitsbedingungen lässt sich das dringend benötigte Personal halten und neues gewinnen. ver.di und die Klima-Allianz Deutschland fordern von der Bundesregierung, den kommunalen ÖPNV besser und langfristig zu finanzieren, um den akuten Personalmangel zu decken und darüber hinaus die Fahrgastzahlen ausweiten zu können. Dazu muss der Nahverkehr gut getaktet sein. Gefordert ist auch, das Deutschlandticket über 2035 hinaus zu garantieren und ein deutschlandweites Sozialticket für Menschen mit wenig Einkommen einzuführen.