Mit neun Mitgliedern ist die AfD seit 2019 Teil der Fraktion Identität und Demokratie im EU-Parlament. Ihre grundsätzliche Ablehnungshaltung gegenüber Europa zeigt sich nicht nur im aktuellen Wahlprogramm 2024, sondern seit 2019 bis heute in ihrem Abstimmungsverhalten im EU-Parlament. So stimmte die AfD (fast immer einstimmig) im EU-Parlament gegen wichtige Reformen, beispiels­weise gegen eine Beschäftigungs- und Sozialpolitik, die angemessene Mindestlöhne, Schutz der Gesundheit von Arbeit­nehmer*innen und die Förderung von Chancengleichheit zum Ziel hat.

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Zuletzt hat die AfD in der EU gegen stärkere Kinderrechte gestimmtNietfeld/dpa/picture alliance

Die AfD stimmte gegen die Beseitigung von Einkommensunterschieden zwischen Frauen und Männern. Sie stimmte gegen das EU-Lieferkettengesetz, das Unternehmen bei Kinderarbeit, Sklaverei und Umweltverschmutzung in die Pflicht nimmt. Sie stimmte gegen die Bekämpfung von Geldwäsche. Sie stimmte gegen Maßnahmen zur Bekämpfung der Gewalt gegen Frauen und auch gegen die Stärkung der Kinderrechte. Und sie stimmte gegen gezielte Maßnahmen, um Desinformation bei Wahlen etwas entgegenzusetzen.

Trotz Dexit-Forderung zur Wahl angetreten

Die AfD hat sich zur Europawahl aufgestellt, obwohl sie die Europä­ische Union (EU) als gescheitert betrachtet. Ihr erklärtes Ziel ist der Austritt aus der EU. Das Handelsblatt zitiert die Ko-Vorsitzende der Partei und Bundestagsfraktion, Alice Weidel, aus einem Interview: „(…⁠) wenn eine Reform nicht möglich ist, wenn es uns nicht gelingt, die Souveränität der EU-Mitgliedstaaten wieder­herzustellen, sollten wir die Menschen entscheiden lassen, so wie es Großbritannien getan hat“. Dann könne ein Referendum über den „Dexit“, einen deutschen Austritt aus der EU, abgehalten werden.

In der Präambel des AfD-Wahlprogramms zur Europawahl 2024 heißt es dazu klar und unmissverständlich: „Wir halten die EU für nicht reformierbar und sehen sie als gescheitertes Projekt.“ Für den Wirtschaftsstandort Deutschland hätte der Austritt dramatische Folgen, schließlich gehen 54,6 Prozent der deutschen Exporte in die EU. „Ein Dexit wäre das Ende des deutschen Wirtschaftsmodells und würde Millionen gute Arbeitsplätze in Deutschland zerstören“, betont der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher gegenüber dem Handelsblatt.

Die europäische Zukunftsvision der AfD sei die „Festung Europa“ mit einem von Deutschland dominierten Binnenmarkt, der Abwendung von den USA und einem ethnisch-völkischen Kulturverständnis, heißt es beim DGB. Dabei sei es völlig illusorisch, dass sich die gesamte Europäische Union auflöst, nur weil die AfD in Deutschland ein Referendum zum Dexit einleiten will. Stattdessen wäre vielmehr der Ausschluss aus der Wirtschafts- und Zollunion und damit der Verlust des wichtigsten deutschen

Exportmarktes die Folge. Es wäre ein gigantischer Schlag gegen den Wirtschaftsstandort. Auf mehr als 83 Milliarden Euro werden die jährlichen Gewinne Deutschlands durch den EU-Binnenmarkt geschätzt. Dieses Geld wäre mit einem Dexit weg.

Ein weiteres Ziel der AfD ist die Abriegelung des deutschen Arbeitsmarktes. Damit aber würde der Fachkräftemangel noch größer, denn zirka 2,8 Millionen Menschen aus anderen EU-Staaten arbeiten gegenwärtig in Deutschland und müssten nach einem Dexit komplizierte Visaverfahren durchlaufen. Auch das Mantra „Wettbewerb statt Bürokratie“ wird von der AfD regelmäßig aufgewärmt, verbunden mit der Absage an minimale soziale Standards und der Vereinheitlichung sozialer Mindeststandards auf europäischer Ebene. Das aber würde sich zwangsläufig gegen die Interessen der Beschäftigten richten, denn Mindeststandards sind ein unterer Boden gegen Sozialdumping. Dieser Schutz wäre auch nicht mehr gegeben, wenn Unternehmen ihre Produktion in Länder mit niedrigeren Löhnen und schlechteren Arbeitsschutzstandards verlagerten.

Die AfD lehnt eine europäische Migrationspolitik ab, mit der Geflüchtete geschützt und Fachkräfte gewonnen werden können. Sie setzt darauf, homogen deutsch zu bleiben und auf eine Lösung über mehr Geburten. Zudem verstellt ihre nationale Sicht den Blick auf die Probleme, die dringend Lösungen benötigen: CO₂-Grenzwerte und Klimaverein- barungen sind bei der AfD nicht vorgesehen, weil der Klimawandel einfach geleugnet wird. Das ist nicht nur für Europa fatal. red