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Kulissen der Macht

Was ist das Selbstverständnis einer Großmacht wie den USA? Soll und will sie Schutzmacht sein und auch militärisch zu Hilfe eilen, wenn die Bevölkerung eines anderen Landes darum bittet, weil sie von Krieg und Aus­löschung bedroht ist? Oder soll sie es halten wie Russland und China, die vorgeben, sich generell aus inneren Angelegenheiten anderer Länder herauszuhalten, die westlichen Staaten aber hybrid durch Propaganda und Attacken im Cyberraum angreifen? Und was genau macht einen Genozid aus, wann muss im Namen der Menschenrechte zwingend eingegriffen werden? Der für seine erste Doku The Gatekeepers oscarnominierte israelische Dokumentarfilmer Dror Moseh geht diesen hoch aktuellen Fragen nach, indem er sie mit ehema­ligen Entscheidungsträgern des US-Außenministeriums diskutiert, die er durchaus zur kritischen Selbstreflektion bringt. ­Darunter die Kriegsreporterin Samantha Powers, die für ihre Studien über Völkermord den Pulitzerpreis gewann und Beraterin von Obama ­wurde. Sie alle blicken mit teils unveröffentlichtem Bildmaterial zurück auf die organisierten Massaker in Ruanda, Bosnien, Irak, Libyen und schließlich Syrien, wo die USA sich erstmals gegen einen militärischen Einsatz entschieden – mit den bekannten Konsequenzen. Die Doku räumt mit vielen Halbwahrheiten auf und verweist darüberhinaus auf aktuelle Konflikte. Jenny Mansch

F/ISR/D 2023. R: Dror Moreh. D: Samantha Powers, Anthony Blinken, Colin Powell, Madeleine Albright u.a., OmdU, 132 Min., Kinostart: 30.5.24

Ein Schweigen

Eine Mutter, die im eigenen Haus vor ­sexuellem Missbrauch die Augen verschließt, ist keine dankbare Figur. Zahlreiche Darstellerinnen wollten sie nicht spielen.

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Aber so nuanciert wie Emmanuelle Devos das komplexe Seelenleben dieser Astrid zwischen Ängsten, Ambivalenzen, Traurigkeit und Schuldgefühlen auslotet, gelingt das tiefgründige, aufschlussreiche Porträt der konfliktscheuen Ehefrau eines reichen Mannes. Den Star-Anwalt an ihrer Seite, der in ­einem pädophilen Mord ermittelt, sich an seinem Adoptivsohn vergeht und wegen Besitz Tausender kinderpornografischer Videos selbst ins Visier der Kriminalpolizei gerät, verleiht Daniel Auteuil erschütternd die Banalität des Bösen. Das gelingt in diesem auf realen Ereignissen basierenden Drama ohne voyeuristische Szenen, aber mit einem umso kritischeren Blick auf die sensationsheischende Presse. Spannung gewinnt die leise Erzählung aus der schritt­weisen Offenbarung der schockierenden Wahrheit, im Zuge derer der familiäre Zusammenhalt bröckelt. Als sie sich nicht länger verdrängen lässt, wacht Astrid auf, allerdings einen Tick zu spät. Kirsten Liese

BEL/F 2023. R: Joachim Lafosse, D: Emanuelle dAvos, Daniel Auteuil, Salomé Dewaels, u.a, 99 Min.,Kinostart: 13.6.2024

IVO

Ivo hat’s eilig. Sie muss dem Tod voraus sein und obwohl sie dieses Rennen stets verliert, kann sie doch die Strecke ein bisschen verlängern, wenn sie nur schnell genug ist. Also isst sie im Auto, trinkt im Auto, weint im Auto, telefoniert im Auto.

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Wenn es ganz arg ist, hält sie kurz an – und weiter geht’s. Ivo ist Palliativschwester und kümmert sich um alles: um die Opiate in der Vene und um die Steine im Schuh. Sie hilft dem Assi-Pärchen, das in den eigenen Fernseher gefallen ist, ebenso wie den Leuten in den gartenbewehrten Vorstadthäusern. Ganz besonders aber kümmert sie sich um ihre Freundin, die im Endstadium an ALS erkrankt ist und es nicht mehr lang machen wird. Zu ihr legt sie sich ins Bett, hält inne; bei ihr ist sie Mensch, nicht Funktion. Sie ist zu der Heldin geworden, die wir in Pflegenden sehen: jene, die sich aufopfert, um die zu versorgen, von denen niemand mehr Notiz nimmt. Das geht nicht unbedingt gut, aber der Film tut nicht so, als wäre er einem Skandal auf der Spur. Man sieht vielmehr den Dingen dabei zu, wie sie nach und nach aus dem Lot geraten – ein treffliches Gleichnis auf die Zustände in der Pflege insgesamt. Normalerweise ist es eine bösartige Kritik zu sagen, ein Film hinterlasse mehr Fragen als Antworten: Hier ist es ausdrücklich als Lob gemeint. Frédéric Valin

D 2023. Regie: Eva Trobisch. D: Minna Wündrich, Pia Hierzegger, Lukas Turtur, 109 Min., Kinostart: 20.6.24