Ausgabe 03/2024
Stecher & Schwätzer
Juhu, es ist wieder Spargelzeit! Anscheinend wächst die deutsche Vorliebe für den „König der Gemüse“ beständig: Gegenüber dem Jahr 2000 hat sich die Anbaufläche verdoppelt, wobei die Ware nicht billiger wird. Grund dafür sei laut vielen Landwirten eine Plage, die den Spargelanbau befalle. Mindestlohn heißt sie. Dagegen werden Sonderregelungen verwendet, die die Saisonarbeit vom allgemeinen Recht ausnehmen und von der Gewerkschaft IG BAU seit Jahren angeprangert werden: Gestochen wird bis 12 Stunden am Tag, vom Lohn werden überhöhte Unterkunftskosten abgezogen, nicht selten müssen die zumeist aus Rumänien und Polen kommenden Beschäftigten die Arztkosten selbst zahlen, und von Rentenbeiträgen können sie nur träumen. Gekündigt wird zudem fristlos. Auf den Feldern werden Arbeitsschutz-Kontrolleure eh selten erblickt. Kurzum: Es ist im Reich der Bleichstangen nicht alles rosig. Nun gehört zur Spargelsaison auch ein ritueller Gesang, welcher mal von der Bild-Zeitung, mal von einem einfallslosen Politiker angestimmt wird: der Ruf nach Wiedereinführung des Arbeitsdienstes. Dieses Jahr ist ein gewisser Martin Nebeling dran, Präsident eines Bundes Katholischer Unternehmer (BKU): „Wir brauchen kein Bürgergeld, das die Leute vom Spargelstechen abhält“, sagt er. Mit üppigen 563 Euro pro Monat würden arbeitsscheue Elemente daran gehindert, sich freudig übers Beet zu bücken. Die Nächstenliebe gebiete doch, sie zu zwingen, etwas für die Gemeinschaft der Steuerzahler und Gemüsegenießer zu leisten. Vielleicht könnte ein Psychoanalytiker erklären, weshalb solche Fantasien immer durch die phallusförmigen, vergeilenden Triebe (und nicht etwa durch die Erdbeerernte) erweckt werden. Dagegen hilft nicht, dass selbst vom Jobcenter das Feindbild des „Totalverweigerers“ als realitätsfern abgewiesen wird, und auch nicht, dass Spargelbauern keine Lust auf unmotivierte, strafversetzte Städter haben. Hauptsache, es wird für populistische Schlagzeilen gesorgt. Ein paar Wochen lang zumindest. Kirschen rot, Geschwafel tot.