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Protest der Beschäftigten der Service-Töchter des Klinikums Chemnitz mitten in der StadtFoto: ver.di

Am Klinikum Chemnitz stehen jetzt die Töchter auf. Doch bei diesem „Aufstand der Töchter“ handelt es sich weder um eine Familientragödie noch um eine Auseinandersetzung mit Barrikadenkämpfen oder lebensbedrohlichen Streitigkeiten. Die aufständischen Töchter der Klinikum Chemnitz gGmbH sind ein Zusammenschluss von Beschäftigten aus den Gesellschaften, die im Verlaufe der letzten Jahre ausgegliedert wurden.

„Wir sind eine offene Kampagnen-Werkstatt mit regelmäßigen Treffen und wechselnder Beteiligung“, sagte Michael Arndt. Er ist der Kopf dieses Bündnisses, dem sich Beschäftigte aus fast allen ausgegliederten Gesellschaften angeschlossen haben. Wegen der räumlichen Entfernung sind zwei der Töchter, die Heim gGmbH und die Sozialbetriebe Mittleres Erzgebirge gGmbH, nicht vor Ort in Chemnitz dabei, werden aber in die Planungen und Entscheidungen einbezogen.

„Vor nunmehr über 20 Jahren begann ein stetiger Ausgliederungsprozess am Klinikum. Von den über 7.000 Beschäftigten sind aktuell um die 2.300 Mitarbeitende in Tochterunternehmen – ohne Tarif­bindung und damit abgekoppelt von Gehaltssteigerungen und anderen Vorteilsregelungen, die ein Tarifvertrag beinhaltet“, beschreibt Arndt die Situation. Der 62-jährige gelernte Zerspanungsmechaniker mit abgeschlossenem Ingenieurstudium begann vor fünf Jahren im Servicebereich des Klinikums, sichert mit seinen Kollegen die Versorgung der einzelnen Stationen ab – von der Zustellung der Speisen bis hin zur pünktlichen Anlieferung von Medikamenten oder anderen Versorgungsgütern.

„Die Logistik in einem solchen Unternehmen ist ein Zahnrad von vielen, die ineinandergreifen müssen, damit das Uhrwerk funktioniert. Das setzt aber auch voraus, dass für alle Beschäftigten Arbeitsbedingungen geschaffen werden, die motivierend wirken“, so Arndt. Es reiche nicht aus, dass auch das ärztliche Personal und die Pflegekräfte hinter ihnen stehen – auch wenn es motivierend sei.

Die Geschäftsführungen der einzelnen Tochterunternehmen weigern sich beharrlich, die Gesellschaften wieder im Konzern zu integrieren. „Wer nicht hören will, muss fühlen. Dieser alte Spruch gilt im Privaten wie auch im Beruflichen. Deshalb haben wir im Servicecenter Technik einen ersten Warnstreik durchgeführt, ein Novum nach mehrjähriger Streikabstinenz und ein erster Schritt, der ausbaufähig ist“, sagt Arndt.

Hoher Berufsethos

Er ist kein Einzelkämpfer, seine Mitstreiter*innen verteilen sich auch auf die anderen Gesellschaften. Chris Modnejewski arbeitet als Logopäde in der Poliklinik. Auch er hat sich auf anderen Gebieten versucht, hat einige Semester Maschinenbau und Soziologie studiert, ehe er seine wahre Berufung in der Ausbildung zum Logopäden gefunden hat. „Nach meiner Berufsfachschulausbildung absolvierte ich ein Praktikum am Klinikum, fand Spaß an der Tätigkeit und blieb dort hängen“, erzählt er.

Den Schritt hat er bislang nicht bereut. Enthusiasmus und Berufsethos auf der einen Seite, auf der anderen Arbeitsbedingungen, die für ihn nicht zu akzeptieren sind. „Bei einer Gehaltsdifferenz von bis zu 1.500 Euro monatlich im Vergleich zu den Vergütungen, die im Tarifvertrag geregelt sind, kann man nicht von minimalen Gehaltsunterschieden sprechen. Hinzu kommt, dass Sonderaufgaben, wie beispielsweise das Halten von Vorträgen oder Sprechstunden, als selbstverständlich angesehen werden“, sagt er. Nicht selbstverständlich sei für den Arbeitgeber hingegen diese Leistungen gesondert zu vergüten. Deshalb setzt Modnejewski sich für eine Tarifbindung ein, um das Fernziel, die Wiedereingliederung der Gesellschaften, zu ermöglichen.

Für eine Wiedereingliederung und einen Tarifvertrag, der alle Tätigkeiten abbildet, steht auch Roy Michaelis: „Meine Tätigkeit als Sterilisationsassistent ist im Tarifvertrag für die Logistik und Wirtschaft GmbH nicht ausgewiesen. Überhaupt ist es kaum zu erklären, dass unser Bereich im Zuge der Ausgliederungen an die Logistik und Wirtschaftssparte angedockt wurde.“ Sterilisationsassistenz kann man (noch) nicht studieren, dafür ist das Berufsbild zu jung.

„Wir sind überwiegend Quereinsteiger, haben als echte Frischlinge begonnen und eine zwei- bis dreijährige Ausbildung durchlaufen, um jetzt einen Job zu machen, der volle Konzentration erfordert. Im medizinischen Bereich gibt es wie in vielen anderen Branchen Vorschriften und Gesetze, die zu beachten sind. Bei uns können Fehler oder Unachtsamkeiten lebensbedrohliche Folgen für die Patienten haben“, schildert er die besonderen Herausforderungen seiner Tätigkeit. Erschwerend komme hinzu, dass für die täglich anfallende Arbeit zu wenig Personal an Bord ist. Der 40-Jährige möchte Missstände und Ungereimtheiten nicht nur benennen, sondern aktiv an der Behebung mitwirken: „Als Mitglied des Betriebsrates habe ich mehr Möglichkeiten, Entscheidungen zu beeinflussen oder Initiativen anzustoßen.“

Die über 1.500 ver.di-Mitglieder bei den Tochtergesellschaften können sich auf ihre Gewerkschaft verlassen. ver.di-Sekretär Robin Rottloff ist immer vor Ort, wenn Aktionen geplant und Petitionen entworfen werden oder die spontane Hilfe des Gewerkschaftssekretärs gefragt ist. Für ihn ist es nur folgerichtig, dass die Nachwuchsgewinnung eine immer größere Herausforderung für das Unternehmen darstellen wird. „Die Situation am Klinikum lädt nicht dazu ein, hier eine Ausbildung zu beginnen oder sich auf eine Ausschreibung zu bewerben. Tarifvertraglich geregelte Arbeitsbedingungen gehören zu den entscheidenden Kriterien bei der Wahl eines Ausbildungsberufes oder einer Anstellung“, sagt Rottloff.

Die Kampagne konnte schnell einen ersten Erfolg verzeichnen. Die Gesellschaft für Ambulante Schlafmedizin wird am 31. August wieder in den Mutterkonzern eingegliedert. Ein positives Signal auch für die Beschäftigten der anderen Gesellschaften.

Diese Töchter hat das Klinikum Chem­nitz ausgegliedert:

Cc Klinik-Verwaltungsgesellschaft Chemnitz mbH

Heim gGmbH für medizinische Betreuung, Senioren und Behinderte Chemnitz

Klinik Catering Chemnitz GmbH

Klinikum Chemnitz Logistik & Wirtschaft GmbH

Klinikum-Chemnitz-Service-Gesellschaft mbH

MVZ Am Küchwald gGmbH

Poliklinik gGmbH Chemnitz

Service-Center Technik GmbH am Klinikum Chemnitz

Sozialbetriebe Mittleres Erzgebirge gGmbH

Zentrum für Diagnostik GmbH am ­Klinikum Chemnitz