Rund 100 Teilnehmer*innen einer Kundgebung vor dem Stuttgarter Gewerkschaftshaus prangerten am 31. Mai ­Ungerechtigkeiten bei den Arbeitsbedingungen und die zunehmende Tarifflucht in der Medienholding Süd an. Zu dem Konzern gehören unter anderem die beiden renommierten Blätter Stuttgarter Zeitung und Stuttgarter Nachrichten.

Qualitätsjournalismus sei nicht zu „Dumpingbedingungen“ zu bekommen, erklärt der ver.di-Tarifsekretär Uwe Kreft. Seit fast zwei Jahren versucht ver.di, den Arbeitgeber zu Tarifverhandlungen für die Zeitungsgruppe Stuttgart GmbH (ZGS) zu bewegen. Doch bisher hätten weder gute Worte noch Appelle durch den Betriebsrat oder offizielle Schreiben die Geschäftsführung dazu gebracht, an den Verhandlungstisch zu kommen. Auch Unterschriften von rund 150 Beschäftigten haben die Arbeitgeberseite nicht interessiert. Deshalb hat ver.di gemeinsam mit dem Deutschen Journalistenverband (DJV) nun den Arbeitskampf begonnen. „Viele Beschäftigte sind entschlossen, diesen auch fortzusetzen. Das Motto lautet: ,Mit Tarifvertrag in die ­Zukunft‘", sagt Uwe Kreft.

Redakteur*innen der ZGS ohne Tarifvertrag verdienen bis zu 10.000 Euro weniger im Jahr als vergleichbare Beschäftigte, die noch zu Tarifbedingungen angestellt sind. Allerdings solle nach den Vorgaben der Geschäftsführung künftig niemand mehr zu Tarifbedingungen eingestellt werden. Sagt Kreft. Sämtliche Stellen - auch die, die bisher in den tarif­gebundenen Unternehmen Esslinger ­Zeitung, Kreiszeitung Böblinger Bote sowie in der Redaktionsgemeinschaft Stuttgarter Zeitung Stuttgarter Nachrichten angesiedelt seien – würden bei einer Neuausschreibung über die ZGS besetzt. „So bluten die tarifgebundenen Zeitungsunternehmen langsam aus“, beklagt der Gewerkschafter.

Hintergrund dieser Entwicklung ist das Konzern-Projekt „Regionales Medienhaus 2.0“. In dessen Rahmen sind zum einen zahlreiche Stellen abgebaut worden, zum anderen hat der Konzern die Leonberger Kreiszeitung, die Kornwestheimer Zeitung, die Kreiszeitung Böblinger Bote, die Gemeinschaftsredaktion Stuttgarter Zeitung Stuttgarter Nachrichten und die Pressehaus Stuttgart Infotechnik zu einem Gemeinschaftsbetrieb zusammengefasst.

Wenig später mussten zahlreiche Beschäftigte aus den einstmals selbstständigen Unternehmen in die tariflose ZGS wechseln. Neueinstellungen werden nur noch dort vorgenommen. Das verstoße nicht nur gegen den Grundsatz „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“, sondern gefährde auch langfristig die Qualität der Berichterstattung.

Denn gute junge Leute könnten die Zeitungen nur an sich binden, wenn sie sie auch gut bezahlten. In diesem Zusammenhang sei es besonders bitter, dass gerade der Nachwuchs durch die Tarifflucht nicht mehr an der speziellen tariflichen Altersvorsorge für Redakteur*innen beteiligt sein soll. Kreft verlangt vom Arbeitgeber, jetzt rasch Verhandlungen aufzunehmen. Andernfalls seien weitere Streiks unvermeidlich.