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Kreuzfahrtschiff in der Lagune von Venedig – inzwischen dürfen die riesigen Touristenschiffe nicht mehr so weit reinfahren in den Hafen der italienischen StadtAndrea Merola/epa/dpa

„Kreuzfahrtschiffe stoppen – gegen Ausbeutung und Klimawandel“ war auf ­einem der großen Banner zu lesen, mit denen 14 Klimaaktivistinnen und -aktivisten am 8. Juli 2024 mehrere Stunden lang die Ausfahrt von zwei Kreuzfahrtschiffen im Kieler Hafen blockierten. „Emissionen, Ausbeutung, Umweltzerstörung – das bedeuten Kreuzfahrten. Wer damit verdient, sind die Kreuzfahrtunternehmen. Darauf wollten wir aufmerksam machen und das ist uns mehr als gelungen“, sagte einer der Aktivisten unmittelbar nach der Aktion.

Ein Jahr zuvor hatten sich andere Klima­aktivisten auf dem Rollfeld des Ham­burger Flughafens am ersten Tag der ­Sommerferien festgeklebt und so den Flugverkehr der Hansestadt für mehrere Stunden lahmgelegt. In der Folge fielen insgesamt 68 Flüge aus, rund 10.000 Passagiere kamen erst deutlich verspätet oder gar nicht an ihre Urlaubsziele. Die Aktion sei ein Protest „gegen die Plan­losigkeit und den Gesetzesbruch der ­Regierung in der Klimakrise“, hieß es seinerzeit in einer Pressemitteilung der Gruppe „Letzte Generation“, die für die Aktion verantwortlich zeichnete. Sie kritisiert bis heute, dass die Regierung den Flugverkehr mit Milliarden subventioniere, und hält das für einen „bedeutenden Brandbeschleuniger der Katastrophe“.

„Nie wieder für den Kurzurlaub in die Türkei?“, fragte deshalb unlängst auch ver.di in einer Online-Veranstaltung. Es ging um die ökologische Bedeutung des internationalen Tourismus, vor allem darum, wie im Tourismus eine soziale und nachhaltige Transformation gelingen kann, wo doch die Auswirkungen des Flugverkehrs auf das Klima unbestritten, aber auch die Arbeitsbedingungen in der Branche teilweise miserabel sind. Jeder 11. Arbeitsplatz in der Welt ist einer im Tourismus und bei weitem nicht jeder ein guter.

Für Antje Monshausen, die für „Brot für die Welt“ den Tourismus beobachtet und in der Online-Runde dabei war, ist ein nachhaltiger Tourismus möglich. Drei Punkte seien besonders wichtig: Die ­Menschenrechte und Selbstbestimmung der Menschen in den Urlaubsregionen müssen gewahrt, die wirtschaftlichen und sozialen Vorteile gerecht verteilt und der Tourismus sowohl für Reisende als auch für Gastgeber eine bereichernde Erfahrung sein. Allein in der Kreuzfahrtbranche gibt es da noch viel umzuverteilen. Zuletzt verdienten Angestellte auf manchem Kreuzfahrtschiff in der Karibik bei steigenden Umsätzen gerade mal 2,40 Euro in der Stunde.

Der dreckige öko­logische Fußabdruck

Reisen ist zudem nach wie vor ein Privi­leg weniger, derjenigen, die sich einen Urlaub leisten können. Über 50 Prozent der Touristinnen und Touristen in der ganzen Welt kommen aus Europa. Mit einem deutschen Pass lassen sich 171 Länder ohne Vorab-Visum bereisen, mehr Reisefreiheit haben nur Bürger der Vereinigten Arabischen Emirate. Afghanen hingegen – sollten sie überhaupt das Geld dafür haben – können mit ihrem Pass nur fünf Länder vollkommen visa-frei bereisen.

Ein großes Problem des Tourismus ist auch der Wasserverbrauch. Ein Luxushotel auf Sansibar verbraucht rund 3.195 Liter Wasser pro Tag und Zimmer. Lokalen Durchschnittshaushalten auf Sansibar stehen hingegen nur 93 Liter pro Tag zur Verfügung. Auch das Müllproblem ist groß. Für ein Viertel des Mülls auf den Malediven ist der Tourismus verantwortlich. Generell verbraucht ein Tourist zudem 20 Prozent mehr Lebensmittel als zuhause. Und zwei letzte Zahlen von „Brot für die Welt“: Auf Fernreisen entfallen 80 Prozent der Klimaemissionen allein auf die An- und Abreise. So trägt der Tourismus mit 8 bis 11 Prozent zu den weltweit vom Menschen verursachten Emissionen bei. Der soziale und ökologische Fußabdruck im Tourismus – er ist noch ziemlich dreckig.

Für Anne Kretzschmar von „Stay Grounded“, einem globalen Netzwerk von über 200 Initiativen und auch mit einem Vortrag Teil der Online-Veranstaltung, ist ­dabei klar, dass es um mehr als nur die CO₂-Ausstöße eines Fluges geht. „Der Flugverkehr muss seine Gesamtwirkung auf das Klima reduzieren“, sagt sie. Erheblich mehr zur globalen Erderhitzung trügen die durch das Verbrennen von Kero­sin in großer Höhe erzeugten Kondensstreifen samt dadurch entstehende Wolken und Stickstoffoxide bei. Die gesamte durch den Flugverkehr verursachte Klimaerhitzung sei so tatsächlich dreimal so hoch wie allein durch das CO₂.

Eine Verringerung des Flugverkehrs ­senke diese Nicht-CO₂-Klimawirkungen sofort, während CO₂ die Atmosphäre noch für Jahrhunderte aufheize – selbst wenn der Flugverkehr auf der Stelle ­beendet werden würde. Gerade die ­Reduktion von Nicht-CO₂-Effekten lohne sich daher laut Anne Kretzschmar überaus, da diese für das Klima schädlicher seien als das CO₂. Auch jeder nicht gebuchte Flug schone bereits das Klima.

Nachhaltige Gewerkschaftsarbeit

Thomas Gehringer, bei ver.di für die Beschäftigten im Luftverkehr zuständig, sagt, dass ver.di und auch den Beschäftigten bewusst sei, dass der Flugverkehr reduziert werden müsse, um den Klimawandel zu stoppen. Wie das unter Berücksichtigung von Beschäftigung und Arbeitsbedingungen funktionieren kann, hat ver.di in einem Luftverkehrskonzept zusammengetragen, dass sich auf Nachhaltigkeit und soziale Aspekte fokussiert und das Gehringer in der Online-Runde vorstellte. Das Motto: „Ein anderer Luftverkehr ist möglich“.

Für den Gewerkschafter und die Beschäftigten ist klar: „Das Ziel des Pariser Klimaschutzabkommens, die globale Erderwärmung möglichst auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen und damit deutlich unter zwei Grad zu halten, ist nicht nur eine Aufgabe der Politik, sondern auch ein Leitgedanke unseres Verständnisses von nachhaltiger Gewerkschaftsarbeit.“

Dem entgegengekommen ist der Umstand, dass sich durch die Corona-Pandemie und der Lockdowns im Tourismus vor allem viele Beschäftigte im Luftverkehr und an den Flughäfen beruflich umorientiert haben und bis heute viele Stellen nicht wieder besetzt werden konnten. So hat sich der Flugverkehr zwangsläufig vorläufig reduziert, auch wenn er nach aktuellen Branchenzahlen ­wieder zu neuen Höhenflügen aufsteigt. Aber für die verbliebenen Beschäftigten konnten in den zurückliegenden Monaten so deutlich bessere Arbeitsbedingungen ausgehandelt werden.

Das ver.di-Luftverkehrskonzept sieht zusammengefasst vor allem eine Reduzierung des Flugverkehrs durch Verlagerung auf andere ökologischere Verkehrsmittel wie die Bahn sowie gesteigerte nachhaltige Entwicklungen im gesamten Flugbetrieb vor. Und Qualifizierungen der Beschäftigten.

Ob der Kurzurlaub in der Türkei dann noch drin ist? Das wird die Nachfrage entscheiden. Denn ganz entscheidend ist ­unser individuelles Reiseverhalten. Ein anderer Tourismus ist möglich, wenn wir selbst umsteigen. Wenn wir selbst nachhaltiger reisen, im Inland nicht mehr ­fliegen, sondern den Zug nehmen, Fernreisen und Kreuzfahrten reduzieren und egal, wohin wir fahren, die Ressourcen vor Ort schonen – vor allem beim Wasserverbrauch – und Müll vermeiden.

Editorial

Die Reisen der anderen

Europa ist der kleinste Kontinent der Erde. Vielleicht sind wir Europäer*innen deshalb auch Reiseweltmeister. Wir wollen raus, in die Ferne. Über 50 Prozent der Tourist*innen weltweit kommen aus Europa. Und auch wenn wir es längst wissen und auch hier in unserem Reisespezial wieder schreiben, wie der Tourismus das Klima belastet und schädigt, lässt sich auch nachhaltig in der weiten Welt reisen. Zum Beispiel mit dem Fahrrad, im Zug ins Ausland transportiert oder vor Ort geliehen statt eines Mietwagens. Oder sich einmal einen Traum erfüllen, einmal zu den Cowboys reisen. Ganz nachhaltig und emmissionsfrei ist es aber, hier davon zu lesen und sich so auf Reisen zu begeben... Petra Welzel