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Hier bei Lüdenscheidt gab es mal eine AutobahnbrückeFoto: dpa/picture alliancE

Eine Bürgerinitiative erklagte die Veröffentlichung einer geheimen Studie. Darin untersucht die Autobahn GmbH auf über 500 Seiten den zehnspurigen Ausbau der A5 zwischen Frankfurt und Friedberg. Das Ergebnis: „Machbar.“ Verkehrs­minister Volker Wissing, FDP, wünscht sich für 150 Autobahnprojekte Eilverfahren und begründet das mit möglichen „militärisch notwendigen Transporten.“ Die Information und Beteiligung von Bürger*innen erscheint da nur als lästiger Bremsklotz.

Klimawandel, war da was? Der Minister geht davon aus, dass Mitte des Jahrhunderts 50 Prozent mehr Waren per LKW transportiert werden müssen – und dafür will er 850 weitere Autobahnkilometer ausrollen. Obwohl Wissenschaftler*innen seit Jahrzehnten darauf hinweisen, dass immer neue Asphaltpisten den Stau allenfalls kurzfristig beseitigen und Deutschland schon heute das dichteste Autobahnnetz Europas hat, will Wissing immer weiter bauen.

ver.di hat zusammen mit Umweltverbänden eine Studie beim Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft (FÖS) in Auftrag gegeben. Die kommt zu dem klaren Ergebnis: Der Bundesverkehrs­wegeplan 2030 fußt auf überholten Annahmen. „Ein Großteil der Projekte weist mit aktualisierten Zahlen ein negatives Kosten-Nutzen-Verhältnis auf und sollte nicht weiterverfolgt werden.“

Dringend nötig sind dagegen viele ­Reparaturen. „Der Sanierungsstau ist krass, das ist eine 25 Jahre lang kaputt gesparte Infrastruktur,“ fasst ver.di-­Gewerkschaftssekretär Martin Krupp zusammen, der bei der Autobahn GmbH im Aufsichtsrat sitzt. Allein 4.000 Brücken sind marode und müssen in den kommenden zehn Jahren repariert werden. Was passiert, wenn zu lange ge­wartet wird, erleben die Menschen in Lüdenscheid. Dort wurde die Talbrücke Rahmede 2021 wegen irreparabler ­Schäden zunächst gesperrt und dann ­gesprengt. Nun quälen sich endlose Fahrzeugkolonnen fünf Jahre lang mitten durch den Ort.

Nach den ersten Haushaltsplänen fürs kommende Jahr sah es zunächst so aus, als ob die für Bau, Planung und Unterhalt zuständige Autobahn GmbH mit einer Milliarde Euro weniger auskommen müsste. Laute Proteste der Bauwirtschaft verhinderten das zwar. Doch weil deren Preise um etwa ein Viertel gestiegen sind, wird das Geld trotzdem nicht reichen. Lüdenscheid wird wohl kein Einzelfall bleiben.

Seit 2021 gibt es die Autobahn GmbH, vorher waren die Länder für Planung, Bau und Erhalt verantwortlich. Der damalige Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) wollte die Aufgabe beim Bund zentralisieren. Der Grund hatte nichts mit Verkehr zu tun, sondern mit einem ganz anderen Problem: Die Zinsen waren niedrig und private Rentenversicherer drohten in Schieflage zu geraten. Sie ­hatten der Kundschaft in früheren Jahren wachsende Renditen versprochen. ­Ihnen wollte Schäuble nun eine lukrative Einkommensquelle verschaffen und die Autobahngesellschaft deshalb teilprivatisieren.

Wäre es so gekommen, hätte der Betrieb irgendwie mehrere Prozent Gewinn im Jahr erwirtschaften müssen – auf Kosten der Allgemeinheit. Proteste und Widerstand haben das schließlich verhindert; ver.di und andere Gewerkschaften spielten dabei eine zentrale ­Rolle. Nun steht im Grundgesetz, dass die Autobahn GmbH vollständig im Besitz der Bundesrepublik ist und auch bleiben wird.

Trotzdem ist die Gesellschaft keine Behörde, sondern hat eine privatwirtschaftliche Rechtsform. Was das heißt, müsste der Jurist Wissing eigentlich wissen. Doch als der alte Geschäftsführer kündigte, wollte der Verkehrsminister den Posten kurzerhand einem Parteifreund zuschanzen – und fiel auf die Nase. „Das ist die Aufgabe des Aufsichtsrats. Wir sind schließlich keine FDP-Versorgungsanstalt“, bemerkt Krupp.

ver.di ist es gelungen, einen sehr guten Tarifvertrag für die Beschäftigten abzuschließen, die von den Ländern zur Auto­bahn GmbH wechselten. „Entgeltmäßig sind wir sehr zufrieden. Aber man hat uns auch weisgemacht, dass wir mit der Autobahn GmbH mehr Leute werden“, berichtet Ute Gamper, die für den Grunderwerb in der Außenstelle Güstrow zuständig ist. Tatsächlich fehlen immer noch etwa tausend Beschäftigte, bis die Zielmarke von rund 15.000 erreicht ist. „Vor allem der Markt für Ingenieure ist leergefegt“, begründet das Fritz Reitberger, Betriebsratsvorsitzender der Niederlassung Südbayern.

Anstrengend für die Belegschaft ist auch, dass sich die verschiedenen Länderkulturen erst nach und nach zu etwas Gemeinsamen zusammenfügen. Das betrifft nicht nur die vormals 16 EDV-­Systeme. Auch die Verantwortung war in den Ländern sehr unterschiedlich geregelt. In Baden-Württemberg war das Regierungspräsidium zuständig, nebenan in Bayern konnten die beiden Autobahndirektionen weitgehend selbst­ständig agieren. „Wir waren etwas hemdsärmelig und ergebnisorientiert unterwegs“, erzählt Reitberger. Dagegen müssten heute alle Prozesse nach zentralen Vorgaben bis ins Detail geplant werden. Und weil die Niederlassungs­leiter jetzt persönlich haftbar seien, dauerten viele Entscheidungen auch länger als früher, berichtet der Betriebsrat.