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Nachhilfe per Videoschalte – über die Verträge bei GoStundent herrscht wenig Transparenz, weder für Eltern noch für Tutorinnen und TutorenFoto: Grabowsky/photothek/imago images

Wenn es mit den Schulnoten nicht klappt, versuchen es viele Eltern mit Nachhilfeunterricht. Früher verdienten sich damit Schüler*innen höherer Klassen ein Taschengeld, mittlerweile ist daraus ein Milliardengeschäft geworden. Eins, das längst Unternehmen für sich entdeckt haben. So auch das Wiener Start-up GoStudent, das unter anderen das Handelsblatt vor gut einem Jahr als "wertvollstes Bildungs-Start-up" bezeichnet hat. Auf seiner Website spricht das Unternehmen von 23.000 Nachhilfelehrer*innen, die in 15 Ländern 10 Millionen Familien in mehr als 30 Fächern unterstützen.

Dabei agiert GoStudent vornehmlich online, der Unterricht findet per Videoschaltungen statt. GoStudent versteht sich als Plattform, auf der diejenigen, die Nachhilfe suchen mit denen, die diese anbieten, zusammengebracht werden. Spricht man mit Letztgenannten, wird jedoch schnell klar, dass es strikte Vorgaben von GoStudent gibt, was in den Stunden zu tun ist, teilweise minutengenau. Auch müssen sie die Infrastruktur des Unternehmens und deren Kommunikationswege nutzen, und innerhalb von vorgegebenen Zeiten auf verschiedene Anliegen der Eltern reagieren.

Franz arbeitet als Tutor bei GoStudent, seinen richtigen Namen möchte er nicht in der ver.di publik lesen. Als er sich vor fünf Jahren bei der Plattform angemeldet hat, sei ihm in Gesprächen kommuniziert worden, er arbeite als eine Honorarkraft. Doch nach verschiedenen Änderungen in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen habe sich herausgestellt, dass er jetzt Leistungen, die GoStudent angeblich für ihn erbringe, bezahlen soll.

Ein weiterer Tutor erzählt, die Abrechnungen darüber seien erst so spät bereitgestellt worden, sodass es für ihn schwierig geworden sei, sie bei der Steuererklärung mit anzugeben. Nachfragen zu den Abrechnungen würden ebenso wie die Frage, welche Einnahmen an das Finanzamt gemeldet wurden, ausweichend beantwortet.

Hierzu liegen ver.di publik entsprechende E-Mails vor. Ebenso wie eine Abrechnung, aus der hervorgeht, dass diese Gebühren etwa doppelt so hoch sind wie ein monatlicher Verdienst. Doch beide Positionen werden nicht detailliert aufgeschlüsselt. So sei es nicht nachprüfbar, welche Stunden bezahlt werden und wofür Gebühren in Rechnung gestellt werden, sagt Franz. In der Abrechnung ist nur schwammig von "allen verbundenen Nebenleistungen" die Rede. Laut Go Student schließen die Tutor*innen die Verträge ab, auf die sie dann nach Angaben von Franz allerdings keinen Zugriff mehr hätten.

Der Stundenlohn für die Tutor*innen liegt knapp über dem gesetzlichen Mindestlohn in Deutschland. Damit werden 50 Minuten Unterricht abgegolten. Die Vor- und Nachbereitungszeit der Lehrenden inklusive des bürokratischen Aufwands für Dokumentation wird nicht berücksichtigt. Sagt ein Schüler kurzfristig eine Unterrichtsstunde ab oder erscheint nicht, muss er die volle Stunde bezahlen. Der Lehrer bekommt aber nur eine zehnminütige Wartezeit vergütet.

Null Transparenz

Es ist auch nicht transparent, was die Eltern für die Förderung ihres Nachwuchses bezahlen. Für diese sogenannten Mitglieder gibt es verschiedenste Modelle. Im Internet werden für zwei davon Preise von 34,49 bzw. 21,49 Euro pro Stunde ausgewiesen. Alles andere gilt als "maßgeschneidertes Angebot" – auf telefonische Nachfrage bei GoStudent.

Im Internet häufen sich auf Bewertungsportalen Einträge, in denen Eltern diese Praxis ebenso kritisieren wie unklare Kündigungsbedingungen und unfreiwillige Vertragsverlängerungen. Mittlerweile haben die Oberlandesgerichte in Wien und Köln viele Vertragsklauseln für unwirksam erklärt. Geklagt hatten eine Verbraucherschutzorganisation (Österreich) und ein Mitbewerber.

Auch die Tutor*innen wissen nicht, was die Eltern für ihre Dienste bezahlen. Es ist ihnen strengstens untersagt, mit ihnen über Dinge zu reden, die nicht unmittelbar mit der Nachhilfe zusammenhängen. Untereinander haben die Tuto- r*innen kaum Kontakt. Entsprechende WhatsApp-Gruppen wurden von GoStudent abgeschafft. "Der Austausch ist schwierig", sagt Franz. Und ohne den sei es für sie schwierig, sich zu organisieren. Daher hat er sich, wie einige andere Kolleg*innen, an ver.di gewandt.

Franz arbeitet auch mit anderen Plattformen. Grundsätzlich hält er dieses Mittel für sinnvoll. Wenn es fair zugehe, könne es Stress und Papierkrieg ersparen.

Veronika Mirschel, die bei ver.di das Referat Selbstständige leitet, kritisiert die Intransparenz von GoStudent. Für sie ist dieses Beispiel typisch für Plattformarbeit, bei der nicht klar ist, wer was für welche Leistung bekommt. Nur eins ist bei allen gleich: In der Regel verdienen diejenigen am meisten, die die Plattform erstellt haben, sich dann aber bei Fragen nach Haftung etc. nicht zuständig fühlen.

Den Austausch zwischen den Beschäftigten hält Mirschel für wichtig. Dafür kann ver.di eine Basis bieten, auf der man gemeinsam etwas durchsetzen kann. Auch im Sinne der Selbstständigen, die ihre Arbeit auf den Plattformen anbieten.

selbststaendige.verdi.de