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Foto: Büchergilde

„Vorwärts, mit heiteren Augen“, war die dynamische Losung, die sich die Initiatoren 1924 selbst mit auf den Weg gaben. Sie steht jetzt unverändert über dem 100. Jubiläum der Büchergilde Gutenberg. Die inzwischen hierzulande einzige literarische Buchgemeinschaft plant ihre Zukunft.

Als die Buchdrucker im August 1924 im Leipziger Volkshaus die Gründung einer gewerkschaftseigenen Buchgemeinschaft beschlossen, ahnte wohl niemand, dass sie ein Jahrhundertwerk in Gang setzten, nicht einmal der spätere Bücher­gilde-Leiter Bruno Dreßler. Als Vorstand des ­Bildungsverbandes der Deutschen Buchdrucker hatte er vor allem Qualifikation und „Kulturgemeinschaft“ seiner Kollegen im Blick: Mit guten und erschwinglichen Büchern sollte sich jeder Buchdrucker eine Bibliothek anlegen können. Und nicht irgendeine: Eine Ausgabe pro ­Quartal sollten die Mitglieder preiswert kaufen können, der Monatsbeitrag lag anfänglich bei 75 Pfennigen. Die Bücher sollten inhaltlich wertvoll und zugleich schön gestaltet sein. Dieses Rezept eines Mitgliedsmodells trägt nun seit 100 Jahren. Der Preis sei zweitrangiger geworden. „Aber die herstellerische Qualität, heute auch die Nachhaltigkeit, das ausgewählte Programm und das Vertrauen unserer Mitglieder zählen noch immer“, meint Alexander Elspas, Geschäftsführer der Büchergilde seit 2017.

Zur wechselvollen Geschichte gehört der Umzug nach Berlin-Tempelhof 1926, wo sich der Buchdruckerverband ein ­eigenes Gewerkschaftshaus gebaut und Druck- und Verkaufsräume für die Bücher­gilde vorgesehen hatte. Es gelang, prominente zeitgenössische Autoren wie Martin Andersen-Nexö, B. Traven, Erich Kästner, Mark Twain, Oskar Maria Graf oder Arnold Zweig zu gewinnen. Ehrenamtliche Vertrauensleute warben neue Mitglieder, die Buchgemeinschaft konnte Geschäftsstellen in Prag, Wien und Zürich eröffnen.

Als am 2. Mai 1933 die SA das Buch­druckerhaus besetze, schien auch die ­Büchergilde verloren. Doch sie existierte schließlich im Exil weiter. Von der Schweiz aus wurde nach Kriegsende mit den ­Gewerkschaftsverbünden der drei westlichen Besatzungszonen verhandelt. Tatsächlich nahmen sie die Buchgemeinschaft unter ihr Dach: Am 12. März 1947 startete die Büchergilde Gutenberg mit Sitz in Frankfurt am Main. Im Osten Berlins wurde eine selbständige Büchergilde schon bald wieder aufgelöst. Die DDR setzte auf den „Volksbuchhandel“.

Das Herz schlägt links

Von Frankfurt am Main aus erstarkte die bundesdeutsche Büchergilde wieder als eigenständiger Verlag, Ehrenamtliche warben für das Sortiment, das auch mit Bücherbussen an die Leute kam. Dank ­finanzieller Unterstützung der Gewerkschaften gelangten selbst mehrbändige lexikalische Werke ins Programm. 1964 hatte die Buchgemeinschaft 300.000 Mitglieder, Zweigstellen in 52 Städten und fast 1.000 Titel Bestand an Neuerscheinungen.

Nach dem Skandal um den Wohnungsbaukonzern „Neue Heimat“ 1982 sahen die gewerkschaftlichen Eigner unter­nehmerische Beteiligungen kritisch. Dass es 1998 einige Mitarbeiter wagten, die Büchergilde in einem Management-buy-out zu kaufen, bedeutete deren neuer­liche Rettung. Die Umwandlung in eine Genossenschaft sicherte 2014 schließlich wirtschaftliche Stabilität und weitere Unabhängigkeit.

Insofern feiert man gerade doppelt ­Jubiläum: 100 Jahre Buchgemeinschaft und zehn Jahre Verlagsgenossenschaft. Geschäftsführer Elspas freut, dass sich die Zahl der Genoss*innen in seiner Amtszeit mehr als verdoppelt hat. Die Büchergilde präsentiert ihren heute 60.000 ­Mitliedern ein engagiert kuratiertes Programm, das auch CDs, Videos, Spiele und anderes bietet. Kerngeschäft bleibt freilich immer das Buch – von schöner Gestalt und „voll guten Geistes“ wie einst versprochen: Sorgfältig gesetzt, oft kunstvoll illustriert, ausgestattet mit geprägtem Einband oder aufwändigem Schutzumschlag, farbigem Vorsatzpapier, Schnittverzierung und Lesebändchen.

Künftig, so die Macher, soll noch mehr Augenmerk auf Kinderbücher und auf originalsprachige illustrierte Literatur gerichtet werden. „Wir werden auch den Bereich Büchergilde Reisen wieder stärken, weil man da wunderbar das Thema Gemeinschaft erleben kann“, so Elspas. „Und, das Herz schlägt links, wir setzen die Tradition des politischen Buches fort, wollen mit Eigenausgaben debatten­politische Beiträge liefern.“

Zum Jubiläum ist Ende August am Gründungsort Leipzig zu einem großen Festwochenende eingeladen, eine Ausstellung im Museum für Druckkunst zeichnet die Historie nach. Neben einer Zeitung erscheinen spezielle Jubiläums-Bände, so als Faksimile-Nachdruck das erste Büchergilde-Buch überhaupt, Mark Twains Geschichtenband „Mit heiteren Augen“.

buechergilde.de