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Foto: Basil Pind/Stocksy United

ver.di publik: Mir fällt immer wieder auf, dass das Thema Finanzen und Steuern für viele so ein richtiges Schreckensthema ist. Warum ist der Umgang mit Geld und Vorsorge ­eigentlich kein Teil des deutschen Bildungsplans, wenn es doch so wichtig ist?

Tenhagen: Das ist eine gute Frage an die Kultusministerien, würde ich sagen. Ich spreche seit 20 Jahren mit Schuldnerberater*innen, Journalistinnen und Journalisten sowie Pädagog*innen über dieses Thema und wie man es besser machen könnte. Nun ist Bildung ja Ländersache, und bei Tagungen zum Thema Finanzen in den Ländern sind zwar die Verbraucherminister*innen oder deren Vertreterinnen anwesend, ebenso wie die Finanzminister*innen. Doch die ­Kultusminister*innen fehlen bei solchen Veranstaltungen oft und schicken auch keine Vertretung.

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Hermann-Josef Tenhagen ist Wirtschaftsjournalist und Chefredakteur der Onlineplattform Finanztip der gemeinnützigen Finanztip StiftungFoto: Finanztip

Wenn man allerdings in die Schulen geht, sieht das ganz anders aus. Bei Finanztip.Schule erstellen wir kostenloses Unterrichtsmaterial für Lehrerinnen und Lehrer und die Nachfrage ist enorm. Beteiligt sind unsere Experten und ein Studienrat aus NRW. Wir arbeiten auch mit einem kleinen Verein zusammen, der direkt in die Schulen geht. Dieses Projekt nennt sich „Zukunftstag“, und dabei wird in den Abschlussklassen in einer Art „Druckbetankung“ das Wichtigste zum Thema Finanzen vermittelt. Diese zwei jungen Männer vom Projekt erreichen im Jahr einige hundert Schulen und geben dort Informationen weiter. Das Thema Finanzen von solchen Projekten mal abgesehen ist zwar präsent, aber eben nicht in einer wirklich handlungsrelevanten Form.

Was meinen Sie damit?

Statt im Unterricht über die aktuell relevanten Aspekte von Finanzen zu sprechen, wird oft über historische Ereignisse wie die große Inflation 1923 und die Schubkarren voller Geld geredet, die man damals durch die Gegend schob, um etwas zu kaufen. Aber über die Frage, was Inflation heute bedeutet, wie sie gemessen wird, welche Auswirkungen sie hat, und warum eine Lebensmittel­inflation von 15 Prozent für einen Haushalt mit Bürgergeld eine ganz andere Bedeutung hat als für einen Haushalt mit höherem Einkommen, wird kaum gesprochen. Oder das Thema Mietverträge und die gesamtschuldnerische Haftung in ­einer WG – viele junge Leute wissen nicht, dass der Vermieter sich an den letzten Bewohner einer WG halten kann, wenn etwas nicht funktioniert oder die Wohnung nicht ordentlich hinterlassen wurde. In solchen Fällen kann es passieren, dass der letzte Mieter seine komplette Kaution verliert.

Was erleben Sie, wenn Sie mit jungen Leuten über Finanzen sprechen? Was ist die größte finanzielle Stolperfalle für diese jungen Erwachsenen?

Das größte Problem ist, dass junge Leute oft nicht die jeweiligen Konsequenzen ihrer Handlungen abschätzen können. Zum Beispiel: Was passiert, wenn ein 17-Jähriger online etwas bestellt und es nicht bezahlt? Im schlimmsten Fall schaltet sich ein Inkassounternehmen ein und es kommt zu einem Eintrag bei der Schufa. Das kann dann erst Jahre später auffallen, wenn man beispielsweise einen Kredit für ein Auto benötigt, um zur Ausbildungsstätte zu gelangen, und diesen nicht bekommt, oder sogar schon Schwierigkeiten hat, einen Handyvertrag abzuschließen. Natür­lich hängt das Wissen darüber auch stark von der Erziehung im Elternhaus ab.

Braucht man für den richtigen Umgang mit Geld eine bestimmte Persönlichkeit?

Vor allem braucht man Eltern, die Taschengeld auszahlen und das Thema ernst nehmen. Im Idealfall gibt es etwas mehr Taschengeld, aber dafür keine Zuzahlung bei teuren Sneakern, wenn es die Nikes für 190 Euro sein sollen. So lernt man früh den Wert von Geld einschätzen. Es ist auch wichtig, in der ­Familie über Geld zu sprechen – darüber, warum etwas nicht möglich ist, was wie viel kostet, und wie teuer ein Urlaub ist. Es geht also nicht nur darum, zu appellieren, sondern auch ein bisschen zu trainieren. Meine jüngste Tochter hat mit sechs Jahren ihren ersten Kredit bei mir aufgenommen. Wir waren auf dem Rummel und sie hatte ihr Budget für Achterbahnfahrten und andere Dinge ausgegeben. Als sie dann noch einen dieser Kunststoff-Hunde mit Wackelkopf kaufen wollte, aber kein Geld mehr hatte, haben wir das über einen kleinen Kredit gelöst, den sie über die nächsten vier Wochen mit ihrem Taschengeld an mich zurückzahlte.

Und wenn man als junger Mensch plötzlich Geld übrig hat, zum Beispiel durch ein Geschenk zum Geburtstag oder zur Konfirmation, wie sollte man es am besten investieren?

Zunächst würde ich das Geld auf ein Tages­geldkonto legen. Ich würde es nicht direkt in die Börse investieren, obwohl ich ETFs*, also breit gestreute Fonds, grundsätzlich für sehr sinnvoll halte. Das liegt daran, dass die Zeiträume, in denen junge Menschen das Geld nutzen wollen, oft zu kurz sind – sei es für eine Reise, den Führerschein oder andere Ausgaben. Wenn jedoch regelmäßig Geldgeschenke von der Oma kommen, wie etwa monatlich 50 bis 100 Euro bis zum Ende des Studiums, dann lohnt sich der Gedanke, dieses Geld in ETFs zu investieren, um es dann nach etwa zehn Jahren zu nutzen. Man hat dabei den Vorteil, dass man in der Zwischenzeit trotzdem auf das Geld zugreifen kann, falls es nötig wird, und gleichzeitig lernt man, wie die Börse funktioniert. Auf keinen Fall sollte man das Geld für Sportwetten oder Lottoscheine ausgeben. Jeder Euro, den ich in einen ETF stecke, statt in eine Wette, ist gut investiertes Geld.

Viele Menschen empfinden Stress, wenn es um die Steuererklärung geht. Warum ist das so? Ist das Finanzamt irgendwie strenger als andere Behörden?

Nein, aber das Finanzamt ist ein Apparat, den viele nicht einschätzen können. Die Hälfte der Arbeitnehmer*innen muss ja eigentlich gar keine Steuererklärung ­machen, typischerweise, weil sie fest angestellt sind und sonst keine Einkünfte haben. Genau in diesen Fällen, wo keine Pflicht besteht, sollte man die Steuer­erklärung aber unbedingt machen. Denn der Staat ist sich in den Fällen sicher, dass keine Steuern mehr ausstehen, und genau deswegen bieten alle Kosten, die man beim Finanzamt geltend machen kann, eine Garantie für Geld zurück. Schon allein durch die Pauschalen, wie die Arbeitskleidungspauschale von 110 Euro, kann man etwas zurückbe­kommen. Die Mietnebenkosten helfen immer, Steuern zu sparen. Auch Handykosten kann man pauschal zu 20 Prozent absetzen, wenn man das Handy beruflich nutzt. Es gibt also viele Möglich­keiten, Ausgaben geltend zu machen. Wenn das Finanzamt etwas nicht akzeptiert, ist das unproblematisch – man muss vielleicht argumentieren, warum eine Ausgabe beruflich war und nicht privat, aber selbst wenn das nicht akzeptiert wird, passiert nichts Schlimmes. Wichtig ist nur, dass man keine Einnahmen vergisst, denn dann wird es tatsächlich schwierig.

Wie sollte man als Berufseinsteiger oder Berufseinsteigerin sinnvoll für die Rente vorsorgen? Sollte man über die gesetzliche Rente hinaus privat investieren?

Gerade als Berufseinsteiger sollte man über die gesetzliche Rente hinaus noch privat investieren, weil man zu diesem Zeitpunkt oft noch keine familiären Verpflichtungen hat und etwas mehr Geld für sich selbst zur Verfügung steht. Als Erstes sollte man klären, ob es im Betrieb eine betriebliche Altersvorsorge gibt. Die alternative Option ist, in einen Index-ETF zu investieren. Damit kann man einfach einsteigen und das investieren, was am Ende des Monats übrig bleibt – oder noch besser, man legt fest, dass beispielsweise 200 Euro monatlich investiert werden müssen. Wenn es vermögenswirksame Leistungen gibt, sollte man diese ebenfalls nutzen, da es häufig staatliche Zuschüsse gibt und auch der Arbeitgeber etwas dazulegt. Auch kleine Beträge ­machen auf lange Sicht einen großen Unterschied, wenn man das über 6, 7 oder 10 Jahre hinweg macht.

* ETFs (Exchange Traded Funds) sind Fonds, die viele Aktien in einem Topf bündeln und günstig gehandelt werden können. Sie bieten eine einfache Möglichkeit, breit gestreut zu investieren und können ein geringeres Risiko als einzelne Aktien allein bieten.

Ausweg aus der Schuldenfalle

Hast du deine Schulden nicht mehr unter Kontrolle und dein Einkommen reicht nicht mehr aus, um deinen finanziellen Verbindlichkeiten nachzukommen, solltest du dich an eine Schuldnerberatung wenden. Denn je länger du wartest, desto größer kann der Schuldenberg durch Mahngebühren und Zinsen werden.

Wer bietet Hilfe an?

In Deutschland gibt es rund 1.380 anerkannte Schuldnerberatungsstellen, die von gemeinnützigen Organisationen wie Caritas, Diakonie, Arbeiterwohlfahrt oder dem Deutschen Roten Kreuz betrieben werden. Auch Verbraucherzentralen und kommunale Stellen bieten solche Beratungen an.

Anonyme Beratung

Viele Betroffene schämen sich, ihre finanzielle Lage zuzugeben. Um die Hemmschwelle zu senken, bieten viele Organisationen auch anonyme Beratungen an.

Achtung vor kommerziellen Anbietern

Der Begriff „Schuldnerberater“ ist in Deutschland nicht gesetzlich geschützt. Daher gibt es viele kommerzielle Anbieter, die ihre Dienste als „Schuldenhilfe“ oder „Finanzsanierung“ anpreisen. Diese verlangen meist Geld und können die ­Situation oft noch verschlimmern. Prüfe daher Beratungsverträge von solchen ­Anbietern sehr sorgfältig.

Ablauf der Beratung

Im ersten Gespräch mit einem Schuldnerberater wird deine finanzielle Situation genau analysiert. Der Berater oder die Beraterin verschafft sich und dir einen Überblick über deine Schulden und deren Entstehung. Im Anschluss werden alle relevanten Unterlagen gesichtet und die Forderungen Deiner Gläubiger zusammengestellt. Auf Wunsch übernimmt der Berater auch den Schriftverkehr und verhandelt mit den Gläubigern, um beispielsweise Zahlungsaufschübe zu erreichen.