Ausgabe 06/2024
Fundamental
Aus gewerkschaftlicher Sicht ist es eines der wichtigsten Projekte der Regierung: das Tariftreuegesetz. Es klingt wie ein Eheversprechen, man bleibt sich treu. Tatsächlich steckt hinter dem Gesetz so etwas wie ein Partnerschaftsvertrag: Egal ob eine Schule einen neuen Caterer braucht, eine staatliche Kita saniert, eine Brücke ersetzt oder der Wäschereidienst einer öffentlichen Klinik neu vergeben werden muss – immer dann, wenn die öffentliche Hand Aufträge an externe Dienstleister zu vergeben hat, sollen die zukünftig nur noch an Unternehmen gehen, die tarifgebunden sind. Tariftreue bedeutet, den gültigen Tariflohn zu zahlen, bezahlten Mindestjahresurlaub zu gewähren, Ruhe- und Pausenzeiten einzuhalten und Höchstarbeitszeiten zu beachten.
Ein solches Tariftreuegesetz braucht es aus gutem Grund. Seit Jahren sinkt in Deutschland die Tarifbindung. Immer mehr Unternehmen scheren aus, senken die Arbeitskonditionen und Preise und stechen so immer häufiger tarifgebundene Unternehmen im Wettbewerb um Aufträge aus. Wer anständige, tarifliche Löhne und Gehälter zahlt und auch ansonsten faire Arbeitsbedingungen bietet, wird ausgebotet.
Um den Unterbietungswettbewerb zu stoppen und die Tarifbindung zu stärken, legte Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) am 9. September seinen Referentenentwurf für das im Koalitionsvertrag angekündigte Tariftreuegesetz vor. Das Gesetz sieht außerdem vor, den Gewerkschaften ein digitales Zugangsrecht zu Betrieben zu gewähren und die Möglichkeiten zur Tarifflucht einzuschränken – beides zentrale Forderungen der Kampagne #Tarifwende von ver.di und dem DGB.
Unter dem Stichpunkt „Problem und Ziel“ heißt es im Entwurf zum Tariftreuegesetz: „Eine funktionierende Tarifautonomie und ein starkes Tarifvertragssystem sind das Fundament angemessener Arbeitsbedingungen für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.“ Der Ampel aus SPD, Grüne und FDP droht ihre Glaubwürdigkeit bei Millionen Beschäftigten endgültig abhanden zu kommen, sollte das Gesetz auf den letzten Metern scheitern. Und danach sieht es leider gerade aus. Eigentlich bleibt diesen Partnern dann nur noch die Scheidung.