Ausgabe 07/2024
Liebe Leserinnen, liebe Leser,
Von Petra Welzel |in Zeiten, in denen sich inzwischen fast alle Parteien darin überbieten, uns quasi zu verbarrikadieren und Schutzsuchende möglichst schnell wieder abzuschieben, zeigt die Geschichte von Farah Hareb, wie absurd diese Debatte ist und – ja – auch lebensgefährlich für Einzelne. Farah ist 40 Jahre alt. Seit ihrem 2. Lebensjahr ist sie in Deutschland, ist hier zur Schule gegangen, hat hier ihr Abitur und ihre Ausbildung zur Intensivpflegekraft gemacht. An der Medizinischen Hochschule Hannover ist sie seit vielen Jahren unverzichtbar. Dennoch droht ihr seit rund 20 Jahren die Abschiebung, weil ihre Eltern auf der Flucht vor dem Bürgerkrieg im Libanon vergaßen, ihre Geburtsurkunde einzustecken. Um endlich dieses Kapitel für sich abschließen zu können, muss sich Farah jetzt auf den Weg in den Libanon machen, in ein Land, wo erneut ein Krieg tobt, um sich dort persönlich eine Geburts- urkunde ausstellen zu lassen, damit sie einen dauerhaften Aufenthaltstitel für Deutschland bekommen kann. Farah sagt: "Ich habe keine Wahl."
Von „großem Glück“ sprechen Leena Reikowski und Michael Sühnel in der Reportage. Was die beiden miteinander verbindet, ist der Umstand, dass sie beide so schwere Behinderungen haben, dass sie ohne eine Persönliche Assistenz nicht selbstbestimmt leben könnten. Und sie eint auch, dass sie sich immer wieder gemeinsam mit ihren persön-lichen Assistenten für deren Arbeitsbedingungen stark machen. Die sind nämlich oftmals prekär. Die persön- lichen Assistenten sagen, wenn sie sich nicht stark machten für ihren Beruf, würde es dieses Lebensmodell irgendwann vielleicht nicht mehr geben. Leena sagt: "Das wäre furchtbar!"
Beide Geschichten lassen tief in unseren gesamtgesellschaftlichen Umgang mit Menschen blicken. Für die persönlichen Assistenten konnte mit vereinten Kräften zuletzt ein Tarifvertrag ausgehandelt werden, der ihnen Sicherheit und bessere Bezahlung bietet. Für Farah können wir nur hoffen, dass der Krieg im Libanon noch vor ihrer Reise dorthin endet.
Petra Welzel
Chefredakteurin der ver.di publik