Ausgabe 07/2024
Lug und Trug wird teuer
Viele Menschen sehnen sich danach, etwas Gutes für die Umwelt zu tun – und Unternehmen nutzen das aus. Ganze Werbeagenturen sind damit beschäftigt, entsprechende Botschaften zu entwickeln. Außerdem versuchen sie zu verschleiern, wenn Produkte und Dienstleistungen klimaschädlich sind, die Luft verpesten oder Berge von Müll hinterlassen. Solchem Greenwashing will die EU nun einen Riegel vorschieben. Sie hat Vorgaben verabschiedet, um Verbraucher*innen vor
irreführenden Geschäftspraktiken zu schützen. Bis Ende März 2026 müssen die Mitgliedsländer die „Green-Claims-Richtlinie“ in nationales Recht umsetzen. Das Gesetzeswerk umfasst einen Strauß von Verboten und Regelungen, weil auch die Fantasie in den Marketingabteilungen eine Vielzahl von Blüten getrieben hat. Wer in zwei Jahren so noch weitermacht, muss mit erheblichen Geldbußen rechnen.
Sehr beliebt ist es zu behaupten, ein Produkt sei grün, umweltverträglich, natürlich, CO₂-neutral, ökologisch oder biobasiert. Anfang des Jahres veröffentlichten drei Nichtregierungsorganisationen (NRO) einen Marktcheck von Snacks, Milch- und Körperpflegeprodukten, die es in deutschen Supermärkten zu kaufen gibt. Das Ergebnis der Studie unter dem Titel „The state of green claims“: Von den 163 Angeboten konnten lediglich drei die aufgestellten Behauptungen ausreichend belegen. Mit dieser Praxis soll bald Schluss sein. Die EU will „Umweltaussagen ohne eine anerkannte hervorragende Umweltleistung“ untersagen. Auch selbst kreierte Qualitäts-Labels sollen dann der Vergangenheit angehören. „Das Anbringen von Nachhaltigkeitssiegeln, die nicht auf einem Zertifizierungssystem beruhen oder von staatlichen Stellen festgesetzt wurden, sollte verboten werden“, legt die EU-Richtlinie den Mitgliedsländern nahe.
Eine weitere Greenwashing-Methode zielt darauf ab, die Kundschaft mit einem unwichtigen Nebenaspekt einzulullen. So will etwa die Kreuzfahrtbranche davon ablenken, dass sie massiv zur Erderhitzung beiträgt und stellt beispielsweise heraus, dass sie heute weniger Frischwasser verbraucht als früher und auch die Müllmengen reduziert hat. SUV-Hersteller versichern, der neue Wagen sei umweltfreundlicher als das Vorgängermodell. Und der chinesische Online-Händler Shein behauptet, mit dem Abholen der Ware bei einem Paketshop leiste die Kundschaft einen positiven Beitrag zum Klimaschutz – obwohl der Plunder mit dem Flugzeug angereist ist.
Der Bundesverband der Verbraucherzentralen ist erfolgreich gegen Shein vorgegangen und kann jetzt eine Vertragsstrafe verlangen, wenn der Onlinehändler von seinem Tun nicht ablässt. Auch an anderen Stellen reichte die deutsche Rechtslage schon aus, um Greenwashern das Handwerk zu legen. Vor allem das Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb erwies sich als hilfreich. So darf das Kreuzfahrtunternehmen TUI Cruises die Kundschaft nicht mehr mit der Behauptung beruhigen, im Jahr 2050 werde der Betrieb klimaneutral sein.
Nachhaltig fliegen – von wegen
Das Landgericht Hamburg gab der Deutschen Umwelthilfe Recht, die in dem Versprechen eine Irreführung der Verbraucher*innen sieht, weil eine nachvollziehbare Planung fehlt. Die künftige EU-Rechtslage stützt diese Position. Nur wenn ein Gewerbetreibender „klare, objektive, öffentlich zugängliche und überprüfbare Verpflichtungen“ nachweist und darlegen kann, wie er die Ziele erreichen will, darf er mit solchen Aussagen auf Kundenfang gehen.
Die Lufthansa erlitt ebenfalls im Gerichtssaal eine Schlappe. In ihrem Fall untersagte die britische Werbeaufsicht Anzeigen, in denen das Unternehmen ihre Flüge als nachhaltig anpries und das mit CO₂-Kompensationen begründete. „Solche Aussagen sollen unter allen Umständen verboten ... werden“, heißt es in der EU-Richtlinie. Begriffe wie „klimaschonend“ dürfen künftig nur noch dann verwandt werden, wenn sie sich unmittelbar auf das Produkt selbst beziehen und nicht auf Ablasszahlungen beruhen.
Wo glutenfreies Wasser plätschert
Doch nicht alle Richter bieten den Unternehmen schon Paroli. So urteilte das Oberlandesgericht Schleswig vor zwei Jahren, das Bewerben eines Müllbeutels als „klimaneutral“ sei nicht zwangsläufig irreführend. Die Käufer*innen seien schlau genug zu wissen, dass der Sack nicht völlig ohne CO₂-Emissionen hergestellt werde und das Versprechen nur durch Kauf von Kompensationsleistungen erzielt werden könne. Immer wieder sind auch völlig selbstverständliche Werbeaussagen auf Produkten zu finden. Dass ein Produkt FCKW-frei ist, ist heute selbstverständlich, weil der Ozonschicht-Killer seit Anfang der 1990er Jahre in Deutschland verboten ist. Deshalb will die EU auch „Werbung mit Vorteilen, die für Verbraucher irrelevant sind“ künftig unterbinden und nennt als Beispiele glutenfreies Wasser oder den Hinweis, dass Papierblätter keinen Kunststoff enthalten.
Schließlich geht es in der neuen Richtlinie auch um Klarheit in punkto Reparierbarkeit und Langlebigkeit von Produkten. Außerdem sollen Anbieter verpflichtet werden, die Kundschaft über die negativen Folgen von Software-Updates zu informieren, die beispielsweise ein Smartphone verlangsamen oder die Batterie schneller leersaugen. In ihrem umfassenden Ansatz ist die neue Richtlinie ein großer Erfolg für Verbraucherschutz-Organisationen, die jahrelang dafür geackert haben.