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Vor Gericht nicht allein in Gottes HandFoto: ver.di SAT

„Eigentlich sind wir ein Klinikum wie jedes andere. Vollumfängliche Daseinsvorsorge mit dem Anspruch der Beschäftigten, alles für das Wohl der Patient*innen zu tun“, sagt Mathias Korn. Er arbeitet seit 1983 mit wechselnden Tätigkeiten im ­Klinikum. Er sagt „eigentlich“, denn es gibt Einschränkungen, die den Unterschied ausmachen.

Mathias weiß, wovon er spricht. Sein beruflicher Werdegang ist eng mit der Entwicklung der Einrichtung verbunden. Im damaligen Sophienhaus begann der heute 57-Jährige als Krankenpfleger, wechselte 1988 auf die Intensivstation, qualifizierte sich unter anderem zum Fachpfleger für Anästhesie und Intensivtherapie, 1999 übernahm er die Leitung der Intensivstation. Zu diesem Zeitpunkt lag die Fusion mit der Städtischen Hufeland Klinik gerade einmal ein Jahr zurück, damals entstand das Sophien- und Hufe­land Klinikum Weimar. Träger der Einrichtung ist die Diakonie Mitteldeutschland, die Wohlfahrtsorganisation der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland. Aktuell beschäftigt die Diakonie ca. 34.000 Mitarbeitende in Thüringen, Sachsen-Anhalt und Teilen von Sachsen.

Das Klinikum mit seinen ca. 1.200 Beschäftigten unterliegt dem Kirchenrecht – betriebliche Mitbestimmung im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes ist nicht gewollt. „Unsere Mitarbeitervertretung unterliegt dem Mitarbeitervertretungsgesetz, einem Gesetz, in dem die Mitbestimmung eingeschränkt ist“, kritisiert Mathias. Zwar gebe es eine Vielzahl von Gremien, die von der Konstellation her mit denen in der Betriebsverfassung vergleichbar seien. Der wesentliche Unterschied besteht allerdings darin, dass ­deren Durchsetzungsfähigkeit eingeschränkt ist.

„Unsere Arbeitsbedingungen regelt das Kirchenrecht. Über Gehaltsentwicklungen, Urlaubstage, Überstunden­vergütungen und vieles andere mehr entscheidet die Diakonie. Das muss sich ändern“, sagt Mathias.

Der Weg zum Tarifvertag

Die aktuell fast 400 ver.di-Mitglieder ­haben mit Unterstützung von Hannes Gottschalk, Gewerkschaftssekretär in Thüringen, den Arbeitgeber zu Tarifverhandlungen aufgefordert. „Innerhalb der Diakonie ein Novum, um uns herum und deutschlandweit erregen wir viel Aufmerksamkeit“, so Mathias.

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Protest ist möglich, wenn der Streik verboten istFoto: ver.di SAT

Zu den vielen Gleichgesinnten gehören auch Ines Herboth und Mario Golle. Die gelernte Krankenschwester ist seit nunmehr 20 Jahren auf der Intensivstation. Getreu ihrem Motto: „Nicht nur meckern – machen“, hat sich die stellvertretende Stationsleiterin der Tarifkommission ­angeschlossen, Unterschriftenaktionen unterstützt und in ihrem Umfeld für die Mitarbeit geworben. „Bei vielen Beschäftigten hat es für Frust gesorgt, dass innerhalb der Diakonie die Zahlung eines Inflationsausgleiches ausgeblieben ist. Aber auch bei anderen Entscheidungen der Geschäftsführung spüre ich wenig davon, dass wir eine christliche Einrichtung sind.“ Ein positives Signal sei die ­solidarische Unterstützung durch die Ärzt*innen und auch die Akzeptanz von anderen Vorgesetzten, wenngleich es auf einigen Stationen auch Ausnahmen gäbe: „Jetzt wird es darauf ankommen, die vor uns liegende Durststrecke durchzustehen.“

Wenn Ines bei den Auszubildenden Vorträge hält, lässt sie schon zwischen den Zeilen durchblicken, dass es Sinn macht, sich gewerkschaftlich zu orga­nisieren. Schließlich wurde der letzte ­Ausbildungsgang der Evangelischen Pflegeschule am Klinikum komplett übernommen.

Mario gehört zu denen, die erst über Umwege den Wunschberuf erlernen konnten. Weil nach dem Schulabschluss die Tür zur Ausbildung zum Physio­therapeuten zu war, entschied er sich für einen beruflichen Zwischenschritt – der Ausbildung zum Spezialisten für ­Garten-, Landschafts- und Sportanlagenbau. Im Jahre 2002 bot sich die Möglichkeit, noch einmal von vorn anzufangen. In den folgenden drei Jahren schulte er um, wurde Physiotherapeut und bekam nach sieben befristeten Arbeitsverträgen eine Festanstellung am Klinikum. „Diese ständige Ungewissheit war belastend“, erinnert er sich.

In der Folgezeit, nun als Festangestellter am Zentrum für Physikalische und ­Rehabilitative Medizin, versuchte er, eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen – von Überstunden- und Urlaubsrege­lungen bis zur Anrechnung von Fort­bildungszeiten als Arbeitszeiten – zu erreichen. „Leider blieben die Ergebnisse aus, deshalb ist es für mich nur folgerichtig, mich zu engagieren.“ Seine Seh­behinderung stelle in der praktischen ­Arbeit kein Hindernis dar. Schwieriger werde es am Computer, mit spezieller Software und beim Lesen. Auf die Unterstützung des Arbeitgebers konnte er dabei nicht zurückgreifen, soweit geht die christliche Nächstenliebe dann doch nicht.

In der Diakonie bestimmen die sogenannten Arbeitsvertragsrichtlinien die Inhalte der Arbeitsverträge. „Wie der ­Name sagt, handelt es sich um Richt­linien. Deren Anwendung obliegt dem jeweiligen Personalverantwortlichen. Mitspracherechte der Mitarbeitenden sind ausgeschlossen, strengste Geheimhaltung wird vorausgesetzt. Auch deshalb sind transparente, tarifvertragliche Regelungen längst überfällig.“

Bis dahin wird es noch ein kräftezehrender Prozess sein. Kirche, Diakonie und Klinikleitung haben Gespräche kate­gorisch zurückgewiesen, Klage gegen einen Warnstreikaufruf eingereicht und so dessen Absage erzwungen. Mathias und seine Mitstreiter*innen sind entsetzt. „Wir wollen nichts anderes, als über unsere Arbeitsbedingungen so mitzubestimmen, wie es auch in weltlichen Betrieben möglich ist. Dass Diakonie und Kirche darauf mit Ablehnung und Anklage reagieren, finde ich als Beschäftigter, aber auch als Christ, sehr irritierend.“

ver.di-Gewerkschaftssekretär Hannes Gottschalk wird die Kolleg*innen weiter unterstützen, gemeinsam mit der Rechtsabteilung des Landesbezirkes für die ­berechtigten Forderungen streiten und in den kommenden Verhandlungen belegen, dass „man vor Gericht und auf ­hoher See nicht allein in Gottes Hand sei.“