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Petra Welzel, Chefredakteurin der ver.di publikFoto: Jungeblodt

Erst legt Robert Habeck, der grüne Bundeswirtschaftsminister, die Kettensäge an das deutsche Lieferkettengesetz, und dann verkündet Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) auf dem Deutschen Arbeitgebertag: „Das kommt weg.“ Was da wegkommen soll, ist ein Gesetz, das seit dem 1. Januar 2023 zumindest für von Deutschland aus global agierende ­Unternehmen Mindeststandards für Menschenrechte und Umwelt in ihren Lieferketten festschreibt. Jahrelang hat sich die Initiative Lieferkettengesetz, ein Zusammenschluss aus rund 130 Verbänden und Organisationen einschließlich ver.di, für dieses Gesetz stark gemacht. Genauso wie anschließend für die Europäische Richtlinie zu den Sorgfaltspflichten in den Lieferketten. Dieses EU-Liefer­kettengesetz soll schrittweise ab dem Jahr 2026 eingeführt werden. Bis dahin soll das deutsche Liefer­kettengesetz nun weichen.

Die Begründung dafür lässt nur Staunen zu: Das Lieferkettengesetz halte die deutsche Wirtschaft mit seinen Gängelungen in der Rezession. Immerhin behaupten die Arbeitgeber nicht, dass das Lieferkettengesetz sie dorthin getrieben hat. Über eigene Fehler – die Exportschwäche durch den Einbruch des chinesischen Markts, den viel zu späten Umstieg auf E-Autos, das Hinterherhinken in der Digitalisierung – gehen die Arbeitgeber schnell hinweg und suchen stattdessen den Buhmann in der Regierung und ihren Gesetzen.

„Wer jetzt wieder am Lieferkettengesetz sägt, macht sich an zukünftigen Menschenrechtsverletzungen und Umweltkatastrophen in den Lieferketten mit schuldig.“

Dabei hatte die Bundesregierung dem im Frühjahr in Brüssel ausgehandelten Kompromiss zum EU-Lieferkettengesetz schon auf Druck der FDP und ­großer Wirtschaftsverbände nicht zugestimmt und sich bei der entscheidenden Abstimmung enthalten. Eine stark abgeschwächte Version des EU-Lieferkettengesetzes hatte dennoch die zentrale Hürde genommen. Vollumfänglich wird es erst 2032 gelten – und auch nur für Unternehmen ab 1.000 Beschäftigten mit einem Jahresumsatz von mehr als 450 Millionen ­Euro. Damit wird das EU-Lieferkettengesetz für rund 5.500 Unternehmen in der EU gelten, nur noch für ein Drittel der Unternehmen, die ursprünglich erfasst werden sollten. Doch schon heute setzt es genauso wie bereits das deutsche Lieferkettengesetz ein Zeichen der Hoffnung für Arbeiter*innen, indigene Völker und Menschenrechtsaktivist*innen weltweit. Wer jetzt wieder daran sägt, macht sich an zukünftigen Menschenrechtsverletzungen und Umweltkatastrophen in den Lieferketten mit schuldig.

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