Ausgabe 07/2024
"Wir sind überglücklich"
Der Jubel ist groß an der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH). Monatelang haben die Beschäftigten der niedersächsischen Uniklinik für mehr Personal und Entlastung gestritten. Sie stellten ein 100-Tage-Ultimatum, demonstrierten, traten mehrfach in den Warnstreik, verhandelten zuletzt fast durchgehend – und setzten sich schließlich durch: Am 24. Oktober einigten sich ver.di und die Klinikleitung auf Eckpunkte für eine sogenannte schuldrechtliche Vereinbarung, die für die Beschäftigten individuell einklagbare Regelungen zur Entlastung beinhaltet.
"Meine Leute gehen mit einem Grinsen durchs Haus", beschreibt Detlef "Dete" Bruse die Stimmung im Transportdienst der MHH. "Wir sind überglücklich, dass wir es geschafft haben und dass auch wir und andere Servicebereiche von der Vereinbarung voll profitieren."
Während in Entlastungsverträgen anderer Kliniken für Dienstleistungsbereiche meist nur ein pauschaler Stellenaufwuchs vereinbart ist, wird an der MHH auch für diese konkret festgelegt, wie viele Beschäftigte für eine gute Versorgung nötig sind. Wie in Notaufnahme oder Ambulanz gilt auch für Transport, Sterilisation oder Poststelle: Werden die Vorgaben im Monatsdurchschnitt unterschritten, erhalten die Betroffenen einen zusätzlichen freien Tag. Perspektivisch sollen hier, wie in anderen Bereichen, schichtgenaue Personalvorgaben gelten.
Auf den Stationen greift mindestens die PPR 2.0, die ver.di gemeinsam mit der Deutschen Krankenhausgesellschaft und dem Deutschen Pflegerat entwickelt hat. Das Instrument zur Personalbemessung wird an der MHH nun schrittweise schichtgenau und verbindlich eingeführt. Werden die Vorgaben unterschritten, erhalten die Beschäftigten einen Belastungspunkt. Den gibt es auch bei kurzfristigen Dienstplanänderungen, tätlichen Übergriffen oder anderweitig belastenden Situationen. Für jeweils sieben Punkte wird eine Freischicht fällig. 2025 können bis zu zehn zusätzliche freie Tage genommen werden, 2026 bis zu zwölf und ab 2027 bis zu 14 Tage. Darüberhinausgehende Ansprüche werden in die Folgejahre übernommen.
Bundesweit 27. Entlastungstarifvertrag
Die bundesweit 27. Entlastungsvereinbarung sei "ein schöner Erfolg", kommentierte ver.di-Bundesvorstandsmitglied Sylvia Bühler. "Das zeigt, was Beschäftigte schaffen können, wenn sie sich in einer starken Gewerkschaft zusammentun." Mehr Personal und Entlastung sei aber auch in allen anderen Krankenhäusern in Deutschland notwendig. "Deshalb drängen wir weiter darauf, dass die Vorgaben der PPR 2.0 rasch verbindlich umgesetzt werden."
Die Fachpflegerin für Intensiv- und Anästhesiepflege, Katja Brockhausen, sieht in der Vereinbarung "einen Riesenschritt" zu besseren Arbeitsbedingungen an der MHH. Sie hofft, dass so Beschäftigte zurückgewonnen werden könnten, die ihren Beruf wegen der Überlastung aufgegeben haben. "Wir wollen unsere Patienten als Menschen behandeln können, nicht als Nummern", betont die 53-Jährige. "Endlich wird unsere Belastung anerkannt – und es gibt Konsequenzen in Form zusätzlicher Zeit für Erholung. Das ist richtig gut."