Ausgabe 08/2024
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Seit 2001 sind Natur- und Umweltschutz im Betriebsverfassungsgesetz dem Arbeitsschutz gleichgesetzt. Betriebsräte können somit die Rolle als Impulsgeber, Vorantreiber und Verstärker übernehmen. Allerdings hängt es oft vom Engagement Einzelner ab, ob Klimaschutz in der täglichen Arbeit verankert wird. Eine Plattform für Fahrgemeinschaften, eine Betriebsvereinbarung über Lastenräder als Dienstfahrzeuge oder hausinterne Stromsparwettbewerbe – der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt.
Beschäftigte wissen am besten, wo es im Arbeitsalltag Einsparpotenziale für Klimagase gibt. Beim gemeinsamen Brainstorming unter Kolleg*innen entstehen manchmal Ideen für sofort umsetzbare Maßnahmen: Der Drucker muss nachts nicht betriebsbereit sein, die Fritteuse kann zwei Stunden früher abgeschaltet werden als bisher.
Die Hilfsorganisation Oxfam hat schon vor Jahren auf Initiative eines Angestellten alle Shops auf Ökostrombezug umgestellt. Und bei den kommunalen Hamburger Energienetzen im Gasbereich haben engagierte Gewerkschafter*innen dafür gesorgt, dass ver.di-Kolleg*innen einen Bonus von 390 Euro bekommen, den sie fürs Deutschlandticket, ein geleastes Fahrrad oder ein Balkonkraftwerk nutzen können.
Bei VW in Emden haben Arbeitnehmervertreter vor vielen Jahren die erste Belegschaftsgenossenschaft für Solarenergie gegründet. Die Photovoltaikanlage auf dem Fabrikdach bringt den Mitgliedern nicht nur finanzielle Vorteile, sondern hilft auch dabei, dass unten drunter klimafreundlich produziert wird.
Auch für viele technisch anspruchsvolle Aufgaben gibt es Vorbilder und Leitfäden. So lassen sich beispielsweise durch eine kluge Steuerung von Heizungen und Warmwasserbereitung oft enorme Mengen Öl und Gas sparen, ohne dass es zu Komfortverlusten kommt. Wie das geht, haben soziale Wohnungsunternehmen im Rahmen des Forschungsprojekts FeBOp-MFH erarbeitet, dessen Ergebnisse nun allen Interessierten kostenlos zur Verfügung stehen.
Klimateller und Bienenstöcke
Überhaupt muss das Rad nicht immer wieder neu erfunden werden. In vielen Fällen empfiehlt es sich, bereits existierende Projektseiten oder Forschungsergebnisse zu nutzen. Zum Beispiel im Bereich Ernährung. Der ist für etwa ein Drittel der klimaschädlichen Gase verantwortlich – somit verfügen Kantinen und die dort essenden Menschen über einen starken Hebel zur CO₂-Einsparung. Bereits 16 Studierendenwerke beteiligen sich am „Klimateller“, auch die Rathauskantine Hannover ist dabei. Auf der Homepage finden sowohl Küchenpersonal als auch privat Interessierte konkrete Tipps, welche Gerichte der Erdatmosphäre guttun; ein Logo ermöglicht der Kundschaft, gezielt solche Mahlzeiten zu wählen.
Manche Kantinen bieten inzwischen häufig oder sogar ausschließlich vegetarische und vegane Speisen an, denn Fleisch- und Milchprodukte haben den größten CO₂-Fußabdruck. Allerdings möchten nicht alle Menschen auf tierische Zutaten verzichten. Um auch für sie klimafreundlichere Angebote zu schaffen, haben die Köch*innen der Mensa Frankfurt (Oder) im Rahmen des Projekts „Ganztierstark“ zusammen mit anderen Kantinen leckere Rezepte entwickelt, bei denen wesentlich kleinere Fleischmengen als üblich gebraucht werden.
Bibliotheken sind an sich schon umweltfreundliche Institutionen: Bücher leihen und teilen spart Papier, schützt somit Wälder und damit auch das Klima. Viele Bibliotheken-Teams haben darüber hinaus umweltfreundliche Alltagspraktiken eingeführt. Bei Lieferungen beauftragen sie Lastenradkuriere, kümmern sich um Heizung, Lüftung und Strom in ihren Häusern und haben mancherorts dafür gesorgt, dass auf dem Dach Solaranlagen oder Bienenstöcke stehen.
Und natürlich verschaffen sie Nutzenden Zugang zu Informationen – auch im Bereich Klimaschutz. Um voneinander zu lernen und Best-Practice-Beispiele bekannt zu machen, gründeten Engagierte vor einigen Jahren das „Netzwerk Grüne Bibliothek“. Alle sind hier eingeladen, neue Ideen und Vorschläge einzubringen.
Zusammen: Erfolgreicher mit Kooperationen
Kooperationen können an vielen Stellen die eigene Wirksamkeit erhöhen. Das belegt die Kampagne „Wir fahren zusammen“ von ver.di und Fridays for Future. Peter Seifert, stellvertretender Betriebsratsvorsitzender bei den Magdeburger Verkehrsbetrieben lud schon vor vier Jahren Jugendliche aus der Klimastreikbewegung ein. Anderswo sind junge Leute auf ver.di zugekommen. Einander zuzuhören und entdecken, dass klimafreundlicher Nahverkehr und gute Arbeitsbedingungen sich gegenseitig bedingen, war der Schlüssel zur Zusammenarbeit.
In der letzten Tarifrunde sprachen die jugendlichen Klimaaktivist*innen dann viele Fahrgäste an und warben für die Interessen der Busfahrer*innen. „Die haben viel Freizeit investiert und in den Streiknächten sogar Kuchen vorbeigebracht“, berichtet Andreas Schackert, Bundesfachgruppenleiter Busse & Bahnen bei verdi. Auch Seifert erinnert sich gerne, wie er zusammen mit den jungen Leuten nachts Plakate geklebt hat. Zwar dominierte auf manchen Betriebshöfen auch die Skepsis. So vermuteten manche Busfahrer, die jungen Leute wollten ihnen die Fahrt mit dem eigenen PKW zur Arbeit verbieten. „Es war auch schwierig klarzumachen, dass die Fridays for Future nicht zu den Klimaklebern gehören“, so Personalrat Thomas Kirst von den Berliner Verkehrsbetrieben.
Doch in anderen Städten fiel die Bilanz eindeutig positiv aus. Allein in Magdeburg konnte ver.di nach dem erfolgreichem Tarifabschluss 100 neue Mitglieder begrüßen. „Die Zusammenarbeit darf jetzt nicht abreißen“, betont Peter Seifert und berichtet über Pläne, die Kommunalpolitik mit ins Boot zu holen, um gemeinsam mehr Geld für den ÖPNV zu fordern. Denn ganz klar: Ohne zusätzliche Mittel wird es weder das notwendige Personal noch genügend Elektro- und Wasserstoffbusse geben – und beides ist für eine klimafreundliche, gerechte Mobilität unabdingbar.
Umfrage: Mehr Klimaschutz, mehr Mitbestimmung
Die Temperaturen steigen, die Infrastruktur bröselt, Digitalisierung und Künstliche Intelligenz verändern die Grundlagen von Arbeit. „Die notwendigen Veränderungen werden nur gelingen, wenn sie demokratisch gestaltet, sozial gerecht, ökologisch nachhaltig und ökonomisch wettbewerbsfähig angelegt sind“, schreibt die Hans-Böckler-Stiftung. Das Forschungsinstitut des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB) hat mehrere Wissenschaftsteams in die Spur geschickt, um solide Wissensgrundlagen für die notwendigen Umbauten zu schaffen.
Ganz klar: Eine klimafreundliche Wirtschaft kann nur entstehen, wenn auch Beschäftigte sich aktiv dafür einsetzen. Und die Chancen dafür stehen im Prinzip gut, wie eine repräsentative Umfrage belegt. Der Großteil der arbeitenden Bevölkerung weiß sowohl Bescheid über die Gefahren der Klimaerwärmung als auch über Maßnahmen zur Eindämmung. Auffällig ist, dass Gewerkschaftsmitglieder deutlich häufiger mit Kolleg*innen und im privaten Bereich über diese Themen sprechen. Und sie sind in weit höherem Maße bereit, selbst aktiv zu werden. „Gewerkschaftsmitglieder sind damit eine wichtige Personengruppe, um den Weg in eine postfossile Wirtschaftsweise mitzugestalten“, schlussfolgern Vera Trappmann und Felix Schulz von der Universität Leeds, die die Studie erarbeitet haben.
Darauf aufbauend untersuchte eine im Oktober veröffentlichte Befragung die Einstellung von Beschäftigten zur Energiewende. Und auch da zeigte sich: Die große Mehrheit will den Abschied von Öl, Kohle und Gas, erwartet dafür allerdings, dass Beschäftigte und Bürger*innen stärker als bisher mitbestimmen können.