Ausgabe 08/2024
Musik
Warmduscher: Too cold to hold
Nicht mal den Schmatzer haben diese Warmduscher rausgeschnitten! Nach Gästen wie Iggy Pop und Rapper Kool Keith ist es beim Intro ihres fünften Studioalbums der Schriftsteller Irvine Welsh, der tief Luft holt. Der Autor von Trainspotting schnalzt hörbar und schnauft mit schottischem Akzent einen Text ins Mikro, der eine Drogenerfahrung beschreibt.
Was dann folgt, ist ein Aufputschmittel aus zehn fiebrigen Tracks, die fast ohne Melodien direkt in die Beine fahren. Trotz hohen Wortanteils sind Warmduscher mehr Club als Pop. Mit seinem Sprech- und Rufgesang verbindet Clams Baker Jr. die Spoken-Word-Poesie von Soul Coughing mit der disruptiven Energie der Beastie Boys, was die Band sehr gekonnt mit allem anheizt, was Punk, Funk, Disco, Electronic, Free Jazz und sogar ein wenig Krautrock hergeben. Warmduscher gelten als einer der heißesten Liveacts Großbritanniens, die zudem mit Witz und Wut den Zeitgeist kommentieren. Obwohl die Band Neujahr 2014 aus der Laune einiger untreu gewordener Mitglieder von Fat White Family und Paranoid London entstand, ist aus diesem Silvesterquickie eine polyamouröse Zweitfamilie geworden, die längst über ihre Stammbands hinauswächst. Jenny Mansch
Cargo Records
Banda Comunale: Live In Rudolstadt
Seit nunmehr 20 Jahren gibt es die Band aus Dresden. Sie spielt nicht nur Sounds und Grooves aus verschiedensten Regionen der Welt, sie versteht sich auch als politisches Ensemble. Die Banda Comunale ist eine der zahlreichen Kapellen der europäischen Brassband-Szene. Diese verstehen sich als Bestandteil einer sozialen Bewegung, die für bezahlbare Mieten, eine grüne Verkehrspolitik und Gleichberechtigung eintritt – um nur einige Themen auf der Agenda zu nennen. Eine Brass Band hat zwei entscheidende Vorteile: Sie ist mobil – sprich bei Demos – einsetzbar, und sie kann sich auch ohne elektrische Verstärkung Gehör verschaffen. Gemeinsam mit Musikern der Flüchtlingsszene und deren orientalischen Instrumenten wie der Laute Oud und der Zither Kanun haben sich die Dresdner zu einem einzigartigen fast 20-köpfigen Ensemble aufgestockt. So spielen sie seit Jahren an gegen Fremdenhass und rechtsextreme Gesinnung. Eine Mission, die nicht nur absolut ehrenwert ist, sondern über das politische Statement hinaus mit ihren Grenzen sprengenden, tanzbaren Balkan-, Klezmer-, Orient- und Karibik-Grooves auch enormen Spaß bereitet. Peter Rixen
CD TRIKONT Unsere Stimme
B O D I E S
Ob es eine feministische Außenpolitik geben kann, ist noch nicht ausgemacht. Dass es feministischen A-Capella-Gesang gibt, das beweisen BODIES nicht nur dadurch, dass sie in dem Song Versailles dem Frauenmarsch von 1789, einem prägenden Ereignis der französischen Revolution, ein Denkmal aus verschlungenen Stimmen setzen. Allein, dass sich in dem Projekt acht große Frauenstimmen gefunden haben, um auf der Bühne in Wohlklang zu verschmelzen, „ist schon ein Statement“, wie Projektleiterin Kat Frankie sagt. Die australische Wahlberlinerin hat früher schon gelegentlich die eigene Stimme gesampelt und zum Chor vervielfältigt, aber ein solches Ensemble zu entwickeln – so fein ziseliert die Arrangements auf dem Debütalbum auch sein mögen – ist noch einmal eine ganz andere Kraft. Es gibt den Macherinnen „ein Gefühl von Macht und Gemeinschaft“, das sich auf die Zuhörerinnen überträgt, ohne Zuhörer außen vor zu lassen. Dabei beziehen sich Bodies musikalisch nur oberflächlich auf klassische A-Capella-Traditionen, öfter noch hört man Einflüsse aus Afrika oder dem Gospel. Aber wo auch immer die Harmonien herkommen, man möchte auf ewig in ihnen versinken. Thomas Winkler
Grönland/Rough Trade