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Stuttgarter Zeitung: Zwei-Klassen-Gesellschaft geschaffenFoto: Bernd Weißbrod/dpA

Zwischen Trump, Ampel, Ukraine und all den anderen Breaking News arbeiten jeden Tag Kolleg*innen in Medienhäusern hart dafür, der Bevölkerung diese Nachrichten aufzubereiten – auch in Stuttgart. Nicht nur von Seiten der Querdenker und Fake-News-Schreier steht die Branche immer mehr unter Druck – vermehrt stehen die Kolleg*innen vor der Frage: Wie lange kann ich mit meiner Arbeit noch mein Leben finanzieren?

Die Stuttgarter Zeitung ist eine von Vielen. Die Tarifflucht ist inzwischen ein Mas­senphänomen der Baden-Württembergischen Medienlandschaft. Es gibt kaum eine Zeitung, die keine tariflose Tochter ausgegründet hat. Oft sitzen Beschäftigte Seite an Seite, machen die gleichen Arbeiten, aber mit gravierenden Unterschieden bei Arbeitsbedingungen und Bezahlung. Ein Unding, findet Joachim Kreibich, Landesvorsitzender der Fachgruppe Medien, Journalismus & Film: „Da wird eine Zwei-Klassen-Gesellschaft geschaffen. Das widerspricht fundamental dem Grundsatz: gleicher Lohn für gleiche Arbeit.“  

Dabei ist diese Prekarisierung der Branche in Anbetracht ihrer Zahlen wenig verwunderlich. Die Auflagenzahlen der meisten Zeitungen gehen zurück, teils bedrohlich stark. Längst kann die pünktliche Auslieferung der Zeitungen an alle Abonnent*innen auf dem Land nicht mehr sicher gestellt werden. Und auch der Anspruch leidet im Zuge des Spardrucks. Wo früher selbstverständlich Redakteure bei Gemeinderatssitzungen anwesend waren, bleibt der Platz für die Presse heute oft leer. Auch im überregionalen Teil, dem sogenannten „Mantel“, drucken viele Zeitungen inzwischen fast ausschließlich Texte der Deutschen Presseagentur, weil sie sich keine eigenen Korrespondenten mehr leisten können.

Die Branche hat eine Wertschöpfungskrise, das ist inzwischen auch in der Politik angekommen. Abseits von sorgenvollen Lobeshymnen auf die Rolle der Presse in der Demokratie ist nicht viel zu hören. So scheint es, dass die Prekarisierung der Beschäftigten an Tageszeitungen die Rettung des Zeitungswesens sei – zumindest nach Ansicht der Arbeitgeber. Wenig überraschend wehren sich die Beschäftigten gegen solche Bestrebungen allerorten. „In Sonntagsreden sprechen die Verleger gerne von journalistischer Qualität. Wer sie sicherstellen will, muss auch seine Redaktion angemessen ausstatten und bezahlen.“ sagt Joachim Kreibich.

Nicht nur die Tarifflucht, sondern auch die vielerorts immer noch nicht ausgeglichene Inflation stehen auf den To-Do-Listen von Betriebsräten und Gewerkschaft. Auch 2025 scheint kein ruhiges Jahr bei den Zeitungen zu werden, weder bei der Stuttgarter Zeitung noch sonst irgendwo im Ländle.

Unruhiges Fahrwasser

Auf der anderen Seite Stuttgarts steht eines der drei großen Funkhäuser des Südwestrundfunks (SWR). Die Probleme sind ähnlich. Auch dort ist die Lage inzwischen schwieriger, als es manche Ministerpräsidenten wahrhaben wollen. Gerade erst hat sich der SWR nach zähen Verhandlungen mit ver.di und dem Deutschen Journalistenverband (DJV) zu einer Tarifeinigung durchringen können. Elf Monate Verhandlung und fast ebenso viele Warnstreiks zeugen davon, wie weit Arbeitgeber und Arbeitnehmervertretungen lange voneinander entfernt waren. „Unsere Beschäftigten mussten sich lange wehren, damit sie nicht zum Opfer einer immer stärkeren Sparschraube werden, mit der insbesondere Populisten den unabhängigen und ihnen damit unbequemen Rundfunk kleinsparen wollen“, sagt Stefan Tiyavorabun, Vorsitzender des Personalrates des SWR Stuttgart.

Der SWR ist als öffentlich-rechtlicher Rundfunksender abhängig von der Rundfunkfinanzierung und damit unfreiwillig Teil eines Kulturkampfes geworden. Jene, die sich über Gendern in der Tagesschau oder Fußballkommentatorinnen im ZDF aufregen, haben die Finanzierungsprozesse des Öffentlich-rechtlichen Rundfunks (ÖRR) längst als dessen Schwäche identifiziert. Und so wundert es wenig, dass die ARD gemeinsam mit dem ZDF nach dem Ausbleiben der Erhöhung des Rundfunkbeitrags nach Karlsruhe vor das Bundesverfassungsgericht zieht. Es geht darum, einzufordern, was die Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfes der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten (kurz: KEF) vorgeschlagen hat und womit die Sender seit Jahren planen.

Dennoch steht auch der SWR vor turbulenten Jahren: demographischer Personalabbau und die Reformen im Haus. Darüber, dass diese Reformen nicht auf Kosten der Beschäftigten gehen, wachen ver.di und die Personalräte. Doch auch in den Tarif-Fragen sehen viele im SWR der Zukunft sorgenvoll entgegen, so auch Tiyavorabun: „Jede Demokratie braucht eine auch von Google, BILD und X unabhängige Berichterstattung. Die gibt es genauso wenig umsonst wie Schulen oder Krankenhäuser. Jetzt liegt der Ball bei den Politikern, die für eine ausreichende und unabhängige Finanzierung sorgen müssen. Wenn nicht, geht das auf Kosten der Belegschaft und zu Lasten unserer Demokratie“.

Suche nach der Lücke

Es ist paradox: Es gibt kaum mehr ein Medium in Baden-Württemberg, das nicht vor existenziellen Herausforderungen steht. Dabei wird in Zeiten von Polarisierung, Emotionalisierung und Stimmungsmache die unabhängige Presse oft als die letzte Trutzburg der Demokratie inszeniert. Zahlen will dafür aber niemand mehr. In diesem Widerspruch arbeiten die Medienhäuser des Landes und suchen dabei ihre Lücke. Sie werden schneller, schlanker und nicht selten auch prekärer für ihre Beschäftigten. Sie versuchen neue Formate zu finden, neue Medien zu erschließen und nebenbei ihre ethischen und qualitativen Ansprüche aufrecht zu erhalten. Es ist ein Ritt auf Messers Schneide, und es ist Aufgabe von ver.di, dafür zu sorgen, dass die Beschäftigten an keinem Ort Opfer dieser Entwicklungen werden.