Ausgabe 08/2024
So nicht, Frau Ministerin
Die schleswig-holsteinische Ministerin für Justiz und Gesundheit, Kerstin von der Decken, CDU, hat eine Reformidee präsentiert: Die Landesregierung will die Arbeits- und Sozialgerichte an einem Ort zentralisieren. Das betrifft die Arbeitsgerichte in Flensburg, Elmshorn, Kiel, Lübeck und Neumünster sowie die Sozialgerichte in Itzehoe, Kiel, Lübeck und Schleswig. Dagegen formierte sich breiter Protest, denn eine solche Maßnahme würde unweigerlich für die Beschäftigten an den Gerichten als auch für alle Prozessbeteiligten Verschlechterungen bedeuten, zum Beispiel durch längere Wege.
Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) und ein Bündnis aus anderen Verbänden haben sich gegen die Zusammenlegung gestellt und am 17. Oktober zu einer Kundgebung vor dem Kieler Landtag aufgerufen. Mit zahlreichen fachlichen Redebeiträgen wurde die berechtigte Kritik untermauert. Eine zentralisierte Gerichtsstruktur in einem Flächenland wäre bundesweit beispiellos und widerspräche dem Koalitionsvertrag der Landesregierung. In dem heißt es: „…davon unberührt werden wir aber alle Standorte der schleswig-holsteinischen Justiz erhalten. Hierdurch sichern wir den unkomplizierten Zugang zur Justiz überall in Schleswig-Holstein.“
Gabriele Wegner vom DGB Nord traf bei der Betrachtung der Aspekte den Nagel auf den Kopf: „Die Sozial- und auch Arbeitsgerichtsbarkeit mit ihrer örtlichen Nähe zu den Bürger*innen ist hoch anerkannt. Ein Vertrauensverlust ist das letzte, was wir brauchen.“ Eine Zentralisierung kann nämlich mehr Zeitaufwand bedeuten, mehr Autofahrten, mehr Umweltverschmutzung und höhere Kosten für die Bürger*innen. Große Distanzen zwischen Rechtsuchenden und Gerichten verringern die Wahrscheinlichkeit, dass Bürger*innen ihr Recht auf dem Klageweg verfolgen. Es stellt sich die Frage, ob die zum Teil langen Bearbeitungszeiten an den Gerichten dadurch verringert werden sollen, dass Menschen erst gar nicht mehr zu Gericht wollen, wenn das mit langen Fahrten und hohen Kosten verbunden ist.
„Betroffen sind circa 240 Richter*innen und Beschäftigte. Weder die Mitarbeitervertretungen noch die Gewerkschaften wurden an der Entscheidung beteiligt. Alle wurden von dem Vorhaben überrascht. Das ist ein unglaublicher Handstreich und geht so gar nicht“, so Gabriele Wegner.
Im Rahmen der Demo vor dem Landtag kritisierte zum Abschluss der Kieler Oberbürgermeister Ulf Kämpfer, SPD, die politische Kommunikation hart und warf der Ministerin vor, sich vor der Entscheidung weder kompromissfähig noch dialogbereit gezeigt zu haben. So sei keine Akzeptanz herzustellen.
Nach viel Widerstand nimmt Justizministerin von der Decken jetzt Anpassungen an der geplanten Justizreform vor. Beispielsweise soll die Zahl der Arbeits- und Sozialgerichte weniger stark reduziert werden als zunächst beabsichtigt.