Ausgabe 01/2025
Arbeitsbedingungen sind der Schlüssel
Als Hauptgrund für den zunehmenden Fachkräftemangel wird in der öffentlichen Diskussion häufig der demografische Wandel genannt. Eine aktuelle Beschäftigtenbefragung nach dem DGB-Index Gute Arbeit kommt allerdings zu dem Ergebnis, dass in hohem Maß schlechte Arbeitsbedingungen den Personalmangel verursachen.
Knapp 7.000 abhängig Beschäftigte mit mindestens zehn Stunden Arbeitszeit pro Woche wurden von Januar bis April 2024 zu Themen rund um ihre Berufstätigkeit befragt. Gerade in Dienstleistungsbranchen wie der Alten- und Krankenpflege, bei den Rettungsdiensten, Erziehung und Fahrdiensten ist der Personalmangel ein Dauerzustand, ergab die Befragung. In der Altenpflege nannten 68 Prozent zu wenig Personal als Problem, im Sektor Krankenpflege/Rettungsdienste 66 in der Erziehung/Sozialarbeit 54 Prozent. Am unteren Ende mit 27 Prozent rangierte die Branche Werbung/Marketing. Im Durchschnitt benannten 46 Prozent der Befragten Personalmangel. Der wird oft zum Dauerzustand, denn bei zwei Dritteln der Beschäftigten dauert die Situation ein Jahr und länger. Häufig führt Personalmangel zu einer Abwärtsspirale. So beschrieben die Befragten, dass sie wegen fehlender Kolleg*innen immer mehr Aufgaben übernehmen, häufig Überstunden leisten und schneller arbeiten müssten. Der wachsende Stress bewegt dann wiederum viele Beschäftigte dazu, ihren Arbeitsbereich zu verlassen. 39 Prozent gaben an, das sei in ihrem Bereich in sehr hohem oder hohem Maß der Fall.
Überlastung steigt
Außerdem reduzieren sehr viele von Überlastung Betroffene in den Engpassberufen ihre Arbeitszeit: 67 Prozent aus dem Bereich Krankenpflege/Rettungsdienste, 66 Prozent in der Altenpflege und 58 Prozent aus Erziehung/Sozialarbeit. So vergrößern sich die Personallücken und die Überlastung für die verbleibenden Kolleg*innen immer mehr.
Dennoch fordern Politiker*innen und die Arbeitgeberseite oft weitere Mehrarbeit. „Rückwärtsgewandte Forderungen, Fachkräftelücken durch längere Arbeitszeiten und ein höheres Renteneintrittsalter zu schließen, sind nicht geeignet, das Problem zu lösen“, betont dagegen im Vorwort des Reports die DGB-Vorsitzende Yasmin Fahimi. Diese Ideen könnten den Fachkräftemangel nicht beheben, sondern würden ihn verschärfen, weil mehr Arbeit und spätere Rente „ohnehin schon überlastete Beschäftigte aus dem Beruf treiben“.
Die Befragung nach dem DGB-Index Gute Arbeit zeigt andere Wege zu mehr Beschäftigung auf. Ein Schlüssel sei die Verbesserung der Arbeitsbedingungen, so die DGB-Vorsitzende. Damit hätten die Arbeitgeber „ein zentrales Instrument der Fachkräftesicherung selbst in der Hand“. Die Umfrage zeigte zudem, dass sich viele Beschäftigte in den Mangelberufen mehr und bessere Weiterbildungsmöglichkeiten wünschen. Derzeit nutzen vor allem die Hochqualifizierten entsprechende Angebote, nämlich 60 Prozent, während es in der Beschäftigtengruppe mit fachlich ausgerichteter Tätigkeit 44 und in der mit angelernten Aufgaben nur 21 Prozent waren. Ein wichtiger Grund, entsprechende Angebote nicht zu nutzen besteht sehr oft im Personalmangel, weil eine Freistellung nicht möglich erscheint. Aber in vielen Fällen fehlten auch passende Angebote für die weniger qualifizierten Beschäftigten, ergab die Befragung. Hilfreich wären neben besseren Kursen Beratung und Motivation zur Wahrnehmung der Weiterbildung.
Großes Potenzial für die Gewinnung von Fachkräften besteht aus Sicht der Befragten darin, bisher benachteiligte Personengruppen stärker an der Erwerbsarbeit zu beteiligen: zugewanderte Menschen, Behinderte, Ältere und Teilzeitbeschäftigte. Derzeit arbeiten vor allem 52 Prozent der Frauen weniger als 35 Wochenstunden. Hauptgrund dafür ist in 56 Prozent der Fälle die Betreuung von Kindern oder pflegebedürftigen Angehörigen. Wegen zu hoher Arbeitsbelastung gehen 39 Prozent der Beschäftigten in Teilzeit. Auch hier hätten die Arbeitgeber die Aufgabe, Hürden abzubauen, stellt Yasmin Fahimi fest, etwa die Beschäftigten bei der Kinderbetreuung und Pflege von Angehörigen zu unterstützen. kurzlinks.de/ks25