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Die verwundbare Demokratie – Am 23. Februar wird ein neuer Bundestag gewählt. In aktuellen Umfragen verschiedener Institute liegt die AfD zwischen 17 und 19 Prozent, eine deutliche Steigerung gegenüber den 10,6 Prozent der Stimmen, die die Partei bei der Bundestagswahl 2021 erringen konnten. Bei den Landtagswahlen im Herbst in Brandenburg, Sachsen und Thüringen zeigte sich, dass die AfD dort bis zu einem Drittel der abgegebenen Stimmen auf sich vereinen konnte. Ein Drittel der Parlamentssitze bedeutet hier eine Sperrminorität. Die Wahl von Richter*innen oder Änderungen an der Verfassung können die Rechtspopulisten damit blockieren.

Maximilian Steinbeis hat sich bereits vor der Wahl in Thüringen angeschaut, welche Gefahren drohen, auch wenn die Feinde der Demokratie (noch) keine Mehrheiten für sich ­organisieren können. „Die verwund­bare Demo­kratie“ ist der Titel seines Buches, in dem der Jurist und Journalist diese Gefahren mit Hilfe eines ­Rechercheteams aufzeigt – und der ­Titel spricht für sich.

Denn egal ob innere Sicherheit oder die Nähe zur Bürger*innen, die AfD und andere Parteien haben auch ohne entsprechende Mehrheiten großen Einfluss. Zu Beginn des Buches stehen Texte über die Veränderungen in Ländern wie Ungarn oder Polen, an denen deutlich wird, wie es Rechtspopulisten gelingt, Demokratien umzugestalten und nicht nur die politische Meinungsführerschaft zu erlangen. Sie bilden ­eine Folie verfassungspolitischer ­Erfahrungen, die auch in Deutschland Realität werden könnten.

Die Konstituierung des Thüringer Landtags hat bereits einen Vorgeschmack gegeben, wie die Demok­ratie, in diesem Fall durch die AfD, auch ohne Mehrheit angegriffen ­werden kann. Es geht um den „trickreichen Umgang mit den Verfahrens­regeln der Demokratie“. Damit bekommt die Recherche von Steinbeis und seinem Team, die bereits im ­Sommer abgeschlossen war, einen erschreckend realistischen Bezug und zeigt, dass sie nicht nur über theore­tische Möglichkeiten fabulieren. In dem Buch ist von einem „Verfassungsmissbrauch“ die Rede.

Die Frage, was unter verschiedenen Rahmenbedingungen passieren kann, ist nicht nur Spekulation. „Sie zu stellen und zu beantworten ist die Voraussetzung dafür, überhaupt erkennen zu können, was gespielt wird. Je früher und gründ­licher das geschieht, desto besser stehen die Chancen, sich wappnen zu können“, heißt es im Buch. Das gelte nicht nur für Thüringen, für die Rechtswissenschaft oder für die Politik, sondern für die deutsche Gesellschaft insgesamt. Daher lohnt es sich unbedingt, dieses Buch zu lesen. Denn Steinbeis beschreibt nicht nur, im letzten Abschnitt des ­Buches gibt er auch Tipps, wie sich die Demokratie wappnen kann. hla

Maximilian Steinbeis: Die verwundbare Demokratie. Strategien gegen eine populistische Übernahme, Carl-Hanser-Verlag, München, 307 Seiten, 25 Euro, ISBN 978-344628129