Ausgabe 01/2025
Druck auf Kranke
20 Tage pro Jahr fehlen Arbeit- nehmer*innen in Deutschland am Arbeitsplatz – wegen Krankheit. Das ergibt sich aus einer Untersuchung der Krankenkasse DAK. Mit der Einführung eines Karenztags will Allianz-Chef Oliver Bäte den vermeintlich hohen Krankenstand senken. Am ersten Krankheitstag sollen Beschäftigte von ihren Arbeitgebern keinen Lohn mehr bekommen.
Keine neue Idee. In den 1970er Jahren hatten die Gewerkschaften die Abschaffung der Karenztage durchsetzen können. Seither flackert diese Idee immer mal wieder von Seiten der Arbeitgeber auf. Jüngst erst hatte sich die Chefin der Wirtschaftsweisen, Monika Schnitzer, für diese Idee ausgesprochen – allerdings damit deutlich weniger politischen und medialen Widerhall erzeugt als Bäte jetzt.
Vor allem Arbeitgeber und wirtschaftsfreundliche Politiker*innen begrüßen die Forderung des Allianz-Chefs. Anfang vergangenen Jahres bereits hatte der Verband der forschenden Pharma-Unternehmen eine Studie vorgelegt, die zu dem Schluss kam, der hohe Krankenstand in 2023 hätte zu Produktionseinbußen geführt – und damit letztendlich zu einem Schrumpfen der Wirtschaft.
Doch dass die Einführung der elektronischen Krankschreibung zu einer genaueren und damit auch höheren Erfassung von Krankheitstagen geführt hat, lässt Bäte außen vor. Ebenso wie die Tatsache, dass verschleppte Krankheiten meist auch zu höheren Kosten führen. Ein Karenztag würde dazu führen, dass sich insbesondere Menschen mit geringen Einkommen krank an ihren Arbeitsplatz schleppen – und dabei vielleicht noch Kolleg*innen anstecken.
Die Vorstellung, dass Deutschland ein Volk der Blaumachenden sei, die man mit dem Druck der Lohnminderung in die Büros und Dienststellen bekommt, greift einfach viel zu kurz. Das mag in Wahlkampfzeiten Aufmerksamkeit bescheren, den kranken Menschen hilft es aber nicht weiter.