Ausgabe 01/2025
Hoffnung im Krieg
Die Ukraine nähert sich dem vierten Jahr des groß angelegten Krieges mit Russland. Es ist jedoch bereits das 12. Jahr dieses Krieges, denn es war der Frühling 2014, als Russland die Krim besetzte und annektierte und den Krieg im Donbas began. Manchmal fällt es mir schwer zu glauben, dass ich seit mehr als einem Jahrzehnt in einem Land lebe, das um seine Existenz kämpft. In dieser Zeit wurden meine drei Kinder hier geboren, gleichzeitig hat Russland Zehntausende meiner Mitbürgerinnen und Mitbürger getötet. Millionen waren gezwungen, vor dem Krieg zu fliehen, oft mehrmals ihre Wohn- und Arbeitsorte zu wechseln.
Wenn es zu Beginn des Jahres 2024 so aussah, als ob das nun schon zurückliegende Jahr schwierig werden würde, dann scheint das Jahr 2025 keinerlei Hoffnung auf positive Veränderungen zu bieten. Vor allem, wenn wir die globalen politischen Herausforderungen für die demokratischen Gesellschaften betrachten. Zugleich zeigen Umfragen, dass die Ukrainer die Hoffnung nicht aufgeben. So erwartet laut einer Umfrage der soziologischen Agentur „Rating“ fast die Hälfte der Ukrainer (45 Prozent) immer noch, dass das Jahr 2025 besser werden wird als das vorherige Jahr. Weltweit rangiert die Ukraine auf Platz 15 der Länder mit den positivsten Erwartungen für das kommende Jahr. Die Ukrainer glauben an das, wofür sie kämpfen, und an ihren eigenen Sieg. Vielleicht ist dies der Rettungsanker, der es unserer Gesellschaft ermöglicht, trotz der ständigen Bedrohung durch den Tod durchzuhalten.
Unter Einsatz des eigenen Lebens
Gleichzeitig rechnet die überwiegende Mehrheit der Ukrainer mit wirtschaftlichen Schwierigkeiten im Land im Jahr 2025, und das ist eine völlig rationale Erwartung. 2024 war das Jahr, in dem der Arbeitsmarkt in der Ukraine die Auswirkungen des russischen Krieges am stärksten zu spüren bekam. Jeden Tag braucht die Ukraine mehr und mehr Arbeitskräfte in verschiedenen Branchen.
Zudem verschärfte Russland im vergangenen Jahr seine Aggressionstaktik gegen die Zivilbevölkerung in ukrainischen Unternehmen. Nach Angaben der Organisation „Social Movement“ wurden mehr als die Hälfte der Todesopfer am Arbeitsplatz in der Ukraine im vergangenen Jahr durch russische Raketen- und Drohnenangriffe verursacht. So wurden nach den von „Social Movement“ zitierten Daten des staatlichen Arbeitsschutzdienstes im vergangenen Jahr mindestens 228 Arbeitnehmer durch russische Angriffe getötet. Russland greift absichtlich Industrieanlagen, Krankenhäuser, medizinische Rettungsteams, Feuerwehrleute sowie Energiearbeiter an. So retten beispielsweise Sanitäter in Cherson Patienten unter Einsatz ihres eigenen Lebens, da das russische Militär mit Drohnen und Artillerie „Jagd“ auf sie macht. Ich habe an dieser Stelle bereits geschrieben, dass die Russen oft zweimal innerhalb kurzer Zeit den selben Ort angreifen, um Retter und Feuerwehrmänner zu töten, die den Menschen sofort zu Hilfe kommen.
Der schreckliche Angriff auf Saporischschja am 8. Januar 2025, als Russland die Stadt mit Gleitbomben aus der Luft angriff und dabei 14 Menschen tötete und 127 verletzte, deutet darauf hin, dass der Kreml seine tödlichen Taktiken in diesem Jahr noch verstärken wird. Der Angriff auf Saporischschja erfolgte zu einem Zeitpunkt, als die Menschen von der Arbeit nach Hause eilten und an einer Bushaltestelle warteten.
Angesichts der russischen Taktik kann die Ukraine ihre Industrie nicht schützen und die Sicherheit ihrer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nicht gewährleisten, ohne ihre eigene Verteidigung zu stärken. Und die Unterstützung der Partner, einschließlich Deutschlands, ist in dieser Hinsicht entscheidend. Und dann werden auch unsere, die Hoffnungen der Ukrainer, auf ein besseres Jahr 2025 bestimmt nicht vergebens sein.
Olha Vorozhbyt ist stellvertretende Chef-Redakteurin des ukrainischen Nachrichtenmagazins Ukrajinskyi Tyschden. Seit der Ausgabe 03_2022 schreibt sie regelmäßig für uns ein Update aus der Arbeitswelt in der Ukraine.