Ausgabe 01/2025
Musik
Die Heiterkeit: Schwarze Magie
Um gleich mal einer Produktenttäuschung vorzubeugen: Die Heiterkeit sollte man nicht auflegen, wenn man eine Faschingsparty zum Überkochen bringen möchte. Nein, Stella Sommer, die sich hinter dem irritierenden Projektnamen verbirgt, hat zwar zuletzt im Duett mit dem Kollegen Drangsal als „Die Mausis“ bewiesen, dass sie auch unheimlich komisch sein kann. Aber die beste Rolle der 37-jährigen, in Berlin lebenden Songschreiberin und Sängerin bleibt die der dunklen Prinzessin, die die Schwarze Magie beherrscht, die der Titel ihres neuen Albums verspricht. Darauf beobachtet sie, wie dunkle Gewitter über das Land ziehen, sie fürchtet sich vor ihren eigenen Träumen und beklagt im wunderschönschaurigen Lied Wenn etwas Schönes stirbt die Vergänglichkeit, aber hängt eben auch der Hoffnung nach, dass Schönheit nicht wirklich vergeht, sondern nur eine neue Form annimmt. Über hingetupften Arrangements schillert Sommers Poesie nachtschwarz wie ihre Stimme, die wie nebenbei jeden Anflug von Pathos in mondäne Eleganz verwandelt. Dann aber, zumindest im Titelsong, der im Country-Rhythmus dahergeritten kommt, wird die traumverlorene Tristesse doch noch von Humor gebrochen: „Schwarze Magie hilft unter Garantie / Sie bringt dich an dein Ziel und enttäuscht dich sicher nie.“
Thomas Winkler
Buback / Indigo
Filippo Gambetta & Alessandro Scotto D'Aniello: Choropo
Zwei Italiener, die auf Organetto, einem diatonischen Akkordeon, siebensaitiger Gitarre und Bandolim, einer brasilianischen Mandoline, hinreißend virtuos musizieren. Bei diesen traditionellen Volksmusikinstrumenten vermutet man womöglich eine tiefe Verwurzelung in der Folklore. Gambetta und Scotto D'Aniello spannen den Bogen jedoch sehr viel weiter und präsentieren sich als ein kosmopolitisches Duo, das sich in den verschiedensten Volksmusiktraditionen wirklich zu Hause fühlt. Klanglich erweitert durch die Beiträge einer Handvoll Gastmusiker unter anderem an Perkussion, Piano, Saxophon und Flöte nimmt das Gespann seine Hörer*innen mit auf eine abwechslungsreiche Reise von Europa nach Lateinamerika und wieder zurück. Da gibt's Musette und italienische Walzer, Musik des afrobrasilianischen Choro-Pioniers Pixinguinha vom Anfang des 20. Jahrhunderts, venezolanische Tänze und zum Abschluss eine neapolitanische Tarantella. Alles ist einfühlsam arrangiert und dabei technisch brillant und leichtfüßig präsentiert. Eine wahre Entdeckung. Peter Rixen
CD Visage Music / Galileo
Horsegirl: Phonetics On And On
Als Horsegirl ihr Debütalbum veröffentlichten, war das Staunen groß, wie ein Schülerinnen-Trio aus Chicago den nun wirklich längst totgedudelten Indie-Rock noch mal mit solcher Naivität neu für sich entdecken konnte. Knapp drei Jahre später besuchen Nora Cheng, Penelope Lowenstein und Gigi Reece zwar nicht mehr die Highschool, haben sich aber auch für ihr zweites Studiowerk Phonetics On And On den unbekümmerten Zugang zu einem Genre, das sonst von älteren weißen Männern dominiert wird, bewahrt. „And I try“, singen sie, und in einem anderen Song guckt die Protagonistin aus dem Fenster und wartet, dass jemand vorbeikommt und „Hi“ sagt. Während die zwischen Langweile und Unsicherheit changierende Gefühlswelt der Frühzwanziger erkundet wird, tasten sich die Instrumente vorsichtig an die einschlägigen Harmonien heran, das Tempo scheint immer einen Tick zu schläfrig, die Melodien hängen in der Luft, als wären sie sich selbst nicht sicher, wo genau sie jetzt abgekupfert sind. Die Einflüsse sind also zum Aufzählen viel zu zahlreich und unüberhörbar, aber werden mit ungelenkem Charme zur Novität veredelt. Thomas Winkler
Matador / Beggars/Indigo