Ausgabe 01/2025
Notsignale ernst nehmen
Mit einem Appell an die Bundespolitik macht der ver.di-Landesbezirk Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen auf die prekäre Situation in den kommunalen Haushalten aufmerksam. Die Fakten sprechen für sich: Der aktuell geschätzte Investitionsstau liegt bei über 186 Milliarden Euro und muss aufgelöst werden, um unser Gemeinwesen zu erhalten.
Die Folgen der politisch verursachten Unterfinanzierung der Kommunen dürfen nicht zulasten der Gestaltung des demokratischen Gemeinwesens gehen. Sie dürfen auch nicht auf dem Rücken der Beschäftigten ausgetragen werden. Die Kolleg*innen halten mit ihrer Arbeit die Geschäfte der Kommunen am Laufen und sind Ansprechpartner*innen für die Bürgerinnen und Bürger. Wer von einer kurzfristigen Lösung dieser Schieflage ausgeht, verkennt die Situation. Unsere Initiative sucht den Schulterschluss mit den öffentlichen Arbeitgebern, möchte gemeinsame Forderungen an die Bundespolitik entwickeln.
Wir fordern:
- Die strukturelle Unterfinanzierung der Kommunen muss aufgelöst werden. Dazu bedarf es gemeinsamer Anstrengungen von Bund, Ländern und Kommunen.
- Das Steueraufkommen muss erhöht und eine angemessene Finanzausstattung der Städte, Gemeinden und Landkreise mit einem höheren Anteil an den Gemeinschaftssteuern gesichert werden.
- Sozialausgaben, die in Bundesgesetzen geregelt sind, müssen vom Bund bezahlt werden.
- Ein kommunales Investitionsprogramm muss eingeführt werden, um den Investitionsstau anzugehen. Kommunen sind der größte Investor in Infrastruktur und müssen in die Lage versetzt werden, dieser Aufgabe nachzukommen.
- Die Handlungsfähigkeit überschuldeter Kommunen muss wiederhergestellt werden: Bund und Länder müssen für sie eine funktionierende und effektive Altschuldenregelung finden.
- Klimaschutz und Maßnahmen zur Anpassung an die Folgen des Klimawandels müssen zu einer Gemeinschaftsaufgabe werden. Dann können Bund und Länder die Kommunen direkt bei der Bewältigung anstehender Maßnahmen unterstützen.
- Gerechte Steuerkonzepte (z.B. Besteuerung hoher Vermögen, Erbschaftssteuer) müssen eingeführt werden, um das Steueraufkommen zu erhöhen und Investitionen in die Daseinsvorsorge zu erhöhen.
Die Resonanz auf der Arbeitgeberseite ist gespalten. Steffen Kania, Bürgermeister in Saalfeld (Thüringen), begrüßt die Initiative: „Die finanzielle Situation der Stadt Saalfeld ist schon seit Jahren angespannt. Das ist kein Alleinstellungsmerkmal, sondern das ist bei fast allen Thüringer Kommunen mittlerweile so.“ Natür- lich gibt es aber auch Kommunalpolitiker, die den Vorstoß mit Skepsis sehen.
Paul Schmidt, der im ver.di-Fachbereich weite Teile des Öffentlichen Dienstes betreut, kann die Vorbehalte nicht nachvollziehen: „Wir wollen doch insbesondere im öffentlichen Dienst eigentlich das Gleiche. Wir wollen gute Arbeitsbedingungen, damit wir gute Beschäftigte bekommen und gute öffentliche Dienstleistungen erbringen können. Und wenn die Arbeitgeber, die Kommunen, die Landkreise, Städte und alle anderen immer wieder artikulieren, dass es ihnen finanziell nicht gut geht und wir ihnen jetzt die Hand reichen, dann erwarte ich auch, dass sie das Angebot nutzen.“ Denn sonst stünde die Frage im Raum, ob die Notsignale der öffentlichen Arbeitgeber wirklich so ernst zu nehmen seien.