Ausgabe 01/2025
Starker Rückenwind
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat entschieden, dass Teilzeitkräfte grundsätzlich Anspruch auf Überstundenzuschläge ab der ersten Überstunde haben. „Das Urteil ist außerordentlich erfreulich. Damit wird endlich Gleichbehandlung gewährleistet und Diskriminierung von Teilzeitkräften vermieden“, sagte die stellvertretende ver.di-Vorsitzende Andrea Kocsis zu der Entscheidung des höchsten deutschen Arbeitsgerichts vom 5. Dezember 2024.
In seiner vielbeachteten Entscheidung hatte das BAG geurteilt, dass Teilzeitkräfte wie Vollzeitkräfte denselben Anspruch auf Überstundenzuschläge haben – mit Geltung ab der ersten Überstunde. Bislang war es häufig so, dass der Anspruch auf Überstundenzuschläge erst bestand, wenn die reguläre Arbeitszeit einer Vollzeitkraft überschritten wurde.
Geklagt hatten teilzeitbeschäftigte Pflegekräfte des KfH Kuratorium Dialyseanbieter. Ihnen wurden trotz eines erheblichen Überstundensaldos mit Verweis auf den Haustarifvertrag entsprechende Zuschläge verwehrt. Im Haustarifvertrag war ein Zuschlag von 30 Prozent erst bei Überschreitung der regulären Arbeitszeit einer Vollzeitkraft vorgesehen. Dagegen und gegen die damit einhergehende Diskriminierung als Frau hatten die Betroffenen geklagt.
Rechte von Frauen gestärkt
Auch hinsichtlich einer Entschädigung wegen Diskriminierung konnten sich die Betroffenen durchsetzen: Das BAG hat bei Fehlen sachlicher Gründe die Zuschlagsregelung auch als einen Verstoß gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) gewertet. „Die angegriffenen Regelungen werden als mittelbare Diskriminierung aufgrund des Geschlechts betrachtet. Da Teilzeittätigkeiten weit überwiegend von Frauen ausgeübt werden, setzt das Urteil auch im Hinblick auf die Gleichstellung von Frauen Maßstäbe. Damit werden auch die Rechte von Frauen im Arbeitsalltag entscheidend gestärkt“, so Kocsis.
ver.di rechnet damit, dass weitere Beschäftigte der KfH, aber auch Beschäftigte darüber hinaus, Ansprüche auf Nachzahlung für die zurückliegenden drei Jahre haben. Für Mitglieder, die in Teilzeit arbeiten und daher Ansprüche auf Zulagen für Überstunden haben, empfiehlt es sich, sich im Laufe des Jahres an die jeweils zuständigen ver.di-Fachbereiche oder den ver.di-Rechtsschutz zu wenden. Auf welche ver.di-Tarifverträge die Entscheidungen vom 5. Dezember insgesamt übertragbar sind, wird derzeit weiter durch ver.di über die jeweiligen Fachbereiche geprüft.
So haben beispielsweise auch Teilzeitbeschäftigte im Öffentlichen Dienst laut ver.di Anspruch auf Zuschläge ab der ersten Überstunde – trotz anderslautender Tarifverträge. Für ver.di ist das auch ein Thema bei den gerade begonnenen Tarifverhandlungen für den öffentlichen Dienst. „Wir haben für diese Forderung jetzt starken Rückenwind durch das Urteil, ein Selbstläufer wird es trotzdem nicht. Denn: Urteile setzen sich nicht selbst um“, heißt es in einem Flugblatt für den öffentlichen Dienst.
Aktenzeichen 8 AZR 370/20, 8 AZR 372/20
Lufthansa Cityline
In einem inhaltlich ähnlichen Fall bei der Lufthansa Cityline hat das Bundesarbeitsgericht am 4. Dezember nicht in der Sache entschieden. Hier ging es um die Frage der Mehrflugstundenvergütung von Teilzeitbeschäftigten. Das Verfahren wurde zur Klärung von offenen Sachverhaltsfragen an das Landesarbeitsgericht zur Entscheidung zurückverwiesen.
Aktenzeichen 10 AZR 185/29