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Foto: Sebastian Gollnow/dpa

Als letzter Sender innerhalb des ARD-Verbundes produziert der Südwestrundfunk (SWR) am Standort Baden-Baden noch einige bekannte und beliebte Sendereihen komplett selbst. Doch damit soll bald Schluss sein. Ab 2029 werden Produktionen wie der Tatort Stuttgart, Ludwigshafen und Freiburg, die Serie "Die Fallers" sowie Unterhaltungssendungen wie "Sag die Wahrheit", "Tigerentenclub" und "Schlager-Spaß mit Andy Borg" von Fremdfirmen produziert. Etwa 220 SWR-Beschäftigte unter anderem aus den Bereichen Kamera, Requisite, Maske und Kostüm verlieren damit ihre Aufgabe. Wenigstens soll niemandem gekündigt werden, manche werden altersbedingt aufhören, andere künftig woanders im Sender arbeiten.

Alle geschockt

"Für die Kolleg*innen der ver.di-Betriebsgruppe beim SWR ist es dennoch so, als würde dem Standort Baden-Baden ein großes Stück seiner Seele weggenommen", sagt Maximilian Heß vom ver.di-Landesbezirk Baden-Württemberg. Der Schock unter den Kolleg*innen halte an, erzählt Michael Beyer (Name geändert), ein engagiertes ver.di-Mitglied im Sender. "Das Verständnis für das Ende der szenischen Produktionen bei uns im SWR hält sich in Grenzen, weil wir das alles immer noch erheblich günstiger machen als andere."

Als Grund für den Abbau bis 2029 nennt die Senderleitung vor allem die größere Flexibilität freier Produktionsgesellschaften. Doch gleichzeitig geht enorm viel verloren: So werden bisher unter anderem junge Menschen ganz speziell für die szenische Produktion ausgebildet – sei es in den Sektoren Aufnahmeleitung, Kamera, Requisite und vielem mehr. "Die Werkstätten sind bereits geschlossen worden. Der Fundus ist zerschlagen und verwertet", berichtet Michael Beyer. "Stück für Stück geht Know-how verloren, von dem viele Jahre lang auch andere ARD-Sender und Produktionen etwas hatten. Beim SWR haben Szenenbildner aus der ganzen Republik angerufen."

Tatort im Stau

Was für ein Aufwand betrieben wird, um den Zuschauer*innen eine ihnen bekannte Welt zu spiegeln, zeigt beispielhaft die Tatort-Folge "Stau" aus dem Jahr 2017. Er spielte vorwiegend in dem titelgebenden Stau auf der Stuttgarter Neuen Weinsteige, wo die Filmkommissare Thorsten Lannert und Sebastian Bootz in anderthalb Stunden den Tod eines Mädchens aufklären. Was authentisch wirkt wie eine typische Verkehrsstauung zum Feierabend, ist in einer riesigen Messehalle in Freiburg nachgestellt worden. Kein Detail fehlt, die Straße ist "regennass", einschließlich Split auf der Fahrbahn. Selbst die begrenzende Mauer mit Bewuchs findet sich wieder. Allein die leuchtende Stuttgarter City wurde technisch nach dem Dreh als Hintergrund eingefügt. Einer, der damals dabei war, ist Stefan Lehmann (Name geändert), seit vielen Jahren als Requisiteur für verschiedene SWR-Produktionen im Einsatz. "Erst sollte ,Stau' auf einer stillgelegten Autobahn gedreht werden", sagt er. "Doch dort wäre es viel schwieriger gewesen, für die Drehzeit immer gleiche Wetterbedingungen zu simulieren." So entstand die Idee mit der Messehalle.

Tee, Boote und Pfeile

Für Requisiteur Lehmann besteht ein Film vorwiegend aus Gegenständen. "Wir bekommen das Drehbuch und besorgen anschließend alle Dinge, die nötig sind, von der Teedose bis zum Omnibus." Fünf Wochen Vorbereitungszeit hat er üblicherweise, und da muss eine Menge passieren: Beispielsweise wird eine Villa als Drehort gebraucht, Szenen spielen in einer Arztpraxis und immer muss alles passend und typisch eingerichtet sein. "Wird in der Praxis eine Schublade geöffnet, dann ist dort etwas drin. Jeden Gegenstand, ob groß oder klein, besorgen wir von der Requisite, und das immer so günstig wie möglich."

Was dabei hilft, ist Erfahrung und ein dichtes Kontaktnetz. "Ich habe mal für eine Produktion ein Wikingerboot gebraucht und einen Tipp bekommen, dass jemand auf einem Berg im Siegerland lebt und dort genau solche Boote baut." Eines konnten sie ausleihen. Er weiß auch, dass es in Augsburg einen Hersteller traditioneller Pfeile gibt – der habe bereits alle Folgen von "Der Herr der Ringe" damit versorgt.

Stefan Lehmann sagt zum bevorstehenden Ende der szenischen Eigenproduktionen beim SWR: "Es ist wahnsinnig schade, gar nicht mehr so sehr für mich, denn ich werde zum angekündigten Ende beinahe das Rentenalter erreicht haben. Doch die jungen Kolleg*innen stehen dann ohne diese unglaublich interessante Arbeit da." Gekündigt werde ja niemandem, aber in welchen Bereichen des Senders die Fachleute anschließend eingesetzt werden, sei offen. Und ein Wechsel in den "freien Markt" sei hochriskant, weiß der Requisiteur. Weder sichere Beschäftigung noch angemessene Bezahlung könnten die Betroffenen dort erwarten. So würden die meisten vermutlich beim SWR bleiben. Doch ihre Fähigkeiten und Kenntnisse, um Menschen in eine fiktive Welt zu entführen, gingen wohl bald verloren.

Vernünftige Angebote müssten die von der Umstrukturierung betroffenen Kolleg*innen wenigstens bekommen, betont ver.di-Sekretär Maximilian Heß. "Intendant Kai Gniffke hat sich grundsätzlich zum Erhalt der Arbeitsplätze bekannt. Wir werden ihn beim Wort nehmen!" Wer beim SWR bleiben wolle, brauche eine gute Begleitung während der nächsten Zeit, Weiterbildungsangebote und eine echte Zukunftsperspektive.