Ausgabe 02/2025
Trumps Krieg gegen die Arbeiter
Wenn sie 30 von uns feuern, müssen am nächsten Tag 300 auf der Straße sein", gibt Chris Pols die Parole aus, "wenn sie 50 feuern, müssen wir 500 sein. Wir werden schnelle Eingreiftruppen bilden. Überall in den USA. Und wir werden erklären, dass wir es sind, die für sauberes Wasser, gesunde Nahrungsmittel, sichere Medikamente, Wetterwarnungen und die Verteilung der Rente sorgen." Zigtausende sind an einem Tag im März bei einem elektronischen runden Tisch in den USA zugeschaltet. Chris Pols, ein Ingenieur in New York, ist einer von ihnen. Einer von 2,3 Millionen Bundesbeschäftigten, die ihre Arbeit getan haben, bis Donald Trump sie in den ersten Stunden seiner zweiten Amtszeit ins Visier genommen hat.
In den seither vergangenen zwei Monaten hat seine Regierung Zehntausende Bundesbeschäftigte entlassen, Hunderttausende zur Kündigung gedrängt, Behörden aufgelöst oder bis zur Handlungsunfähigkeit ausgehöhlt, Forschungsprojekte beendet, Datenbanken zensiert und zig Milliarden Dollar Entwicklungshilfe gestrichen. "Trump führt", sagt Liz Shuler, die Chefin der AFL-CIO, dem Dachverband von 63 Gewerkschaften mit Millionen Mitgliedern, "einen Krieg gegen die Arbeiter."
Ingenieur Pols ist einer der Gründer des Federal Unionists Network, kurz FUN. Junge Gewerkschafter haben es im letzten Jahr gestartet. Es sollte ein Kommunikationsmittel an der Basis werden. Donald Trump und sein Beauftragter für "Effizienz", der Multimilliardär Elon Musk, haben dem Netzwerk schlagartig nationale Popularität verschafft. Im März 2025 sitzen bereits die Spitzen der Gewerkschaftsbewegung mit am eingangs erwähnten elektronischen runden Tisch, zu dem FUN eingeladen hat. Everett Kelley, Chef der größten Gewerkschaft im Öffentlichen Dienst, AFGE, die nach eigenen Angaben 800.000 Bundesbeschäftigte vertritt, sagt zu den Aktivisten: "Wir sind eine Familie", fordert alle auf, zusammenzuhalten und sich nicht spalten zu lassen.
Ungleiche Gegner
Gewerkschafter im Öffentlichen Dienst kennen sich aus mit Lobbying und Beschwerdeverfahren. Politische Aktionen im öffentlichen Raum sind eine neue Herausforderung für sie. Vor allem gegen ungleiche Gegner. Der Präsident hat dicht geschlossene Reihen und ein Programm hinter sich. Es ist der große Moment der Rechten. Sie kontrollieren das Weiße Haus, beide Kammern des Kongresses und das Oberste Gericht. Aus der republikanischen Partei kommt kein öffentliches Widerwort mehr. Selbst dann nicht, wenn der Präsident sich als "König" bezeichnet.
Mit dem Projekt 2025 ("Mandate for Leadership. The Conservative Promise"), das die Heritage Stiftung im letzten Jahr veröffentlicht hat, liegt Trump eine detaillierte Marschroute vor – inklusive Zerlegung der "Regierung" und Bekämpfung der Gewerkschaften. Trump behauptet zwar, er habe den 887 Seiten langen Text nicht gelesen, befolgt ihn aber genau. Er beginnt, wie vom Projekt 2025 empfohlen, rasant, wenn "die präsidentielle Macht auf ihrem Höhepunkt ist". Und er richtet seine Angriffe gegen exakt jene Institutionen, die im Projekt 2025 aufgelistet sind: vom Diskriminierungsschutz und dem Verbraucherschutz über das Bundesministerium für Bildung bis zur Sozialversicherungsbehörde.
Trump schafft Chaos, Einschüchterung und Verwirrung. Und nutzt die Stimmung für Propaganda gegen den Öffentlichen Dienst. Als ein Gericht seine Entlassung von Gwynne Wilcox, die als Chefin des Nationalen Gremiums für Arbeitsbeziehungen (NLRB) vorgesehen ist, zurückweist, geht er in Berufung. Bei einer anderen Niederlage vor Gericht, verlangt er die Amtsenthebung des Richters. Er weiß, dass seine Angriffe die Gerichte für Jahre beschäftigen werden.
Ein Schatten ihrer selbst
Die Lage der Gewerkschaften ist unübersichtlicher. Mit 14,3 Millionen Mitgliedern sind sie weiterhin eine der großen organisierten Kräfte in dem Land der 340 Millionen. Aber im Verhältnis zum Höhepunkt ihrer Bewegung in den 50er Jahren sind sie ein Schatten ihrer selbst. Damals war jeder dritte Beschäftigte Gewerkschaftsmitglied, heute ist es nur noch jeder zehnte. Selbst unter Joe Biden, der sich selbst den "gewerkschaftsfreundlichsten Präsidenten der US-Geschichte" genannt, der als Präsident Streikposten gestanden und der die Rentenfonds mehrerer Gewerkschaften gerettet hat, hielt der Abwärtstrend an. Allein im Jahr 2024 verloren die Gewerkschaften 184.000 Mitglieder.
"Die Gewerkschaften sind in einer existenziellen Krise", erklärt John Logan, der Leiter der Arbeits- und Beschäftigungsstudien an der Universität San Francisco. Seines Erachtens ist ein anderes Arbeitsrecht nötig, um zu verhindern, dass sie immer schwächer werden. Unter Biden kam der Gesetzesentwurf "PRO" in den Kongress. Er hätte es leichter gemacht, eine Gewerkschaft zu gründen. Doch er bekam keine Mehrheit.
Die Gewerkschaften sind kein monolithischer Block. Auch nicht in ihrem Verhältnis zu Trump. Die meisten Gewerkschaftsvorsitzenden haben sich im Wahlkampf für Kamala Harris ausgesprochen. Die Basis hat mit rund 60 Prozent für die Demokratin gestimmt, das waren 2 Prozent mehr als für Biden vier Jahre zuvor. Aber zugleich brach der Chef der Teamsters, der größten Einzelgewerkschaft mit mehr als einer Million Mitgliedern, im Wahlkampf ein Tabu und hielt eine Rede auf dem republikanischen Parteitag. Mehrere große Ortsverbände seiner Teamsters protestierten und riefen ihrerseits zur Wahl von Harris auf. Aber es blieb ein Erfolg für Trump und ein Schlag für die Gewerkschaften.
Im Schlingerkurs
Einen anderen Schlingerkurs fährt der Chef der linken Autogewerkschaft UAW, mit rund 400.000 Mitgliedern. Im Wahlkampf warb UAW-Chef Shawn Fein für Harris. Doch seit Trump begonnen hat, Strafzölle zu verhängen, bekommt er Applaus von Fein. "Es ist Zeit, dass jemand die Interessen der amerikanischen Arbeiter verteidigt", schrieb der Auto-Gewerkschafter dem Präsidenten. Seine Wut auf den Freihandel teilen viele Arbeiter. Sie machen den Freihandel für den Verlust von Hunderttausenden industriellen Arbeitsplätzen in den USA und jahrzehntelange Lohnstagnation verantwortlich.
Der Bürgerrechtler Bill Fletcher, der in Gewerkschaften und in dem Gewerkschaftsdachverband AFL-CIO gearbeitet hat, unterscheidet drei unterschiedliche Positionen der Gewerkschaften gegenüber Trump: "Die Kollaborateure" handeln, die "Vogelstraußler" ducken sich weg und "die Widerständler, die kämpfen". Zu letzteren zählt er die meisten Gewerkschaften im Öffentlichen Dienst, aber auch die Lehrer, die Kommunikationsarbeiter, Flugbegleiter und andere. "Die Gewerkschaften haben zu wenig Schulungen in Rassismus und Sexismus gemacht", bedauert Fletcher. Sonst wären sie heute schon eine viel größere Bewegung.
Kompliziert ist auch die Gemengelage zwischen Gewerkschaften und Demokraten. Wie üblich gehörten die Gewerkschaften im zurückliegenden Wahlkampf wieder zu den wichtigsten Geldgebern der Demokraten. Aber jetzt, wo sie in Not sind, kommt wenig von der Partei. Vier Monate nach den Wahlen lecken die Demokraten weiterhin ihre Wunden. Sind tief gespalten. Ohne klare Führung. Und konzentrieren sich auf die Halbzeitwahlen im November 2026, bei denen sie verlorene Mehrheiten zurückerobern wollen.
Trotz Mitgliederschwund, internen Spaltungen und äußeren Anfeindungen genießen die Gewerkschaften im Augenblick so viel Sympathie, wie lange nicht mehr. Meinungsforscher von Gallup fanden 2024 heraus, dass 70 Prozent der US-Amerikaner für Gewerkschaften sind. Dafür haben vor allem junge Radikale gesorgt, die in Betriebe gegangen sind, um sie gewerkschaftlich zu organisieren.
Mit unkonventionellen Methoden haben sie Branchen erobert, die zuvor unerreichbar für Gewerkschaften schienen. Allen voran Kaffeehäuser (in mehr als 500 Starbucks- und andere Ketten-Cafés stimmten Baristas für eine Gewerkschaft). Chris Townsend der 46 Jahre als Organizer für diverse Gewerkschaften gearbeitet hat und heute junge Gewerkschafter schult, hat 17 ähnlich überraschende Branchen gezählt, in denen neue Gewerkschaften entstanden sind, darunter gemeinnützige Organisationen, Forschungslabore, Museen, Sonnenenergiehersteller und Cannabisproduzenten.
Kein direkter Schlagabtausch
Ein Präsident in den USA ist ständig von Mikrofonen und Kameras umgeben. Trump nutzt dieses Privileg, um den Sozialneid zu schüren. Immer wieder drischt er auf die angebliche Verschwendung und Korruption sowie auf die angebliche Faulheit im Öffentlichen Dienst ein. "Natürlich tun mir die Leute leid, die ihre Arbeit verlieren", spottet er im NBC-Fernsehen, "aber viele von ihnen arbeiten überhaupt nicht."
Sein Effizienz-Beauftragter Musk weicht den Vorladungen von Richtern und oppositionellen Kongressabgeordneten aus. Wenn sie prüfen wollen, ob seine Arbeit mit der "Abteilung für Regierungseffizienz" (DOGE) legal und verfassungskonform ist, verweist er auf die "sehr transparente" Webseite von DOGE. In Interviews beklagt er, seine Arbeit mit DOGE bringe ihn "in Lebensgefahr" und auf seinem eigenen Social-Media-Kanal "X" hetzt er gegen Bundesbeschäftigte. Im März ging er so weit, einen Post, mit Genozid-Vorwürfen zu retweeten. Danach haben nicht Hitler, Stalin und Mao Millionen Menschen ermordet, "sondern ihre öffentlichen Bediensteten". Nachdem Proteste laut wurden, löschte Musk den Post wieder.
Die Gewerkschafter vom Netzwerk FUN vermeiden den direkten Schlagabtausch mit Trump und Musk. Sie wollen die Erzählung ändern. Statt über ihre eigene Arbeit, sprechen sie über den Schaden, den die Kürzungen im Land anrichten: Dass Millionen Arme, darunter besonders viele Kinder und Alte, hart von den Einsparungen bei Lebensmittelhilfe und Krankenversicherung getroffen sind, dass die Opfer von Diskriminierungen an Schulen keine Anlaufstelle mehr im Bildungsministerium haben, dass Spitzenverdiener keine Steuerprüfungen mehr fürchten müssen, weil der Behörde dazu das Personal fehlt. "Mit Effizienz hat das alles nichts zu tun", sagt Ingenieur Pols, "es macht das Leben für Arbeiter härter und das Leben für Milliardäre einfacher."
Das Gewerkschaftstrauma
"Wenn wir uns auf Trump konzentrieren, haben wir schon verloren", erklärt die Chefin der Flugbegleitergewerkschaft Sara Nelson vor FUN-Mitgliedern, "wir müssen das Allgemeininteresse nach vorn stellen. Und die Solidarität." Für sie ist das auch eine Lehre aus dem Fluglotsenstreik von 1981. Als er stattfand, war Nelson acht Jahre alt. Aber das Trauma verfolgt die Gewerkschaftsbewegung bis heute. Die Fluglotsen-Gewerkschaft PATCO hatte im Präsidentschaftswahlkampf von 1980 den Republikaner Ronald Reagan unterstützt. Nach der Wahl begann sie einen Streik, eine damals wie heute illegale Aktion für Bundesbeschäftigte. Die PATCO bestand auf ultimativen Forderungen. Reagan machte kurzen Prozess. Er feuerte alle 11.345 streikenden Fluglotsen.
"Wir haben damals einen verdammt großen Fehler gemacht", sagt Nelson, "wir hätten die Fluglotsen nicht allein lassen dürfen. Ganz egal, wie sie gewählt haben." Nelson ist ein aufsteigender Stern bei jungen und linken Gewerkschaftern. Sie sieht heute die Möglichkeit, jene Sache wieder gutzumachen. Sie benutzt das Wort "Erlösung". Ihr Mantra lautet: "Eine Verletzung eines Einzelnen ist eine Verletzung für alle."
Während Trump den Öffentlichen Dienst bekämpft, wähnen an seiner Basis schon manche, dass sie wieder allein das Sagen haben. Am Morgen, nachdem die Regierung den Tarifvertrag mit den 47.000 Kontrolleuren gekündigt hat, die an den Flughäfen Passagiere und Gepäck screenen, triumphiert ein Manager in Texas: "Ab sofort gibt es keine Krankentage mehr". In Kalifornien spottet ein anderer Manager: "Mit Euren Beschwerdeverfahren ist es jetzt vorbei."
Zugleich gerät die US-Post ins Visier von Trump. Die Großbank Wells Fargo stellt ihren Investoren Milliardenobjekte in Aussicht, falls die Post privatisiert wird. Aber die 640.000 Postbeschäftigten, die nicht offiziell zum Öffentlichen Dienst gehören, wehren sich. Sie sind zu 99 Prozent gewerkschaftlich organisiert. Und sie wissen, dass ihr Unternehmen zu den populärsten im Land gehört. Mark Dimondstein, der Chef der American Postal Workers Union (APWU) mit 200.000 Mitgliedern spricht von einem "Oligarchenputsch".
Stärker als ihre Zahlen
Vielerorts im Öffentlichen Dienst geht Angst um. Es kommt hinzu, dass Hunderttausende Bundesbeschäftigte binnen weniger Tage weitreichende Entscheidungen über ihre berufliche Zukunft fällen müssen. Ein Dilemma dabei ist, dass sie die Konsequenzen nicht überblicken können. Wer das E-Mail-Angebot ablehnt, mit einem Trostpflaster von maximal 25.000 Dollar "freiwillig" zu gehen, riskiert, später dennoch gekündigt zu werden. "Das Arbeitsumfeld wird so vergiftet", sagt AFGE-Gewerkschaftschef Kelley, "dass wir darin nicht mehr arbeiten können."
"Wenn es keine massive Repression und Morde gibt, können wir die Situation umdrehen. Wir können die Gewerkschaften ändern und stärken."
Everett Kelley, Chef der größten Gewerkschaft im Öffentlichen Dienst, AFGE
In der Gewerkschaftsbewegung glauben viele dennoch an eine Zukunft. "Die Gewerkschaften sind stärker als ihre Zahlen", so Fletcher. Er betrachtet Trumps Aktionen als "Teil eines größeren Angriffs auf Gerechtigkeitsorganisationen". Aber er ist optimistisch: "Wenn es keine massive Repression und Morde gibt, können wir die Situation umdrehen. Wir können die Gewerkschaften ändern und stärken."
Die Zahlen geben ihm Recht. Seit dem Beginn von Trumps "Krieg gegen die Arbeiter" verzeichnen manche Gewerkschaften einen lang nicht mehr dagewesenen starken Zulauf. Allein in der ersten Februarwoche traten 5.575 Bundesbeschäftigte der Gewerkschaft AFGE bei. Gewerkschafter Townsend setzt seine Hoffnungen auf die neue Generation von Gewerkschaftern, die auch den Starbucks-Erfolg erkämpft hat: "Sie sind jung, weiß, schwarz, eingewandert, oft mit Hochschulabschluss. Wir haben ihnen viel zu verdanken."
Christy Hoffman, die Generalsekretärin der globalen Gewerkschaftsföderation UNI, der weltweit Gewerkschaften aus dem Dienstleistungssektor angehören, ist überzeugt, dass sich die öffentliche Wahrnehmung von Gewerkschaften in den USA weiter verbessern wird. "Niemand sonst wird die Arbeitnehmer in dieser Zeit verteidigen. Niemand sonst setzt sich für eine bessere Krankenversicherung, Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und alle anderen Grundbedürfnisse ein." Unter Trump sieht sie "eine Menge Raum für Gewerkschaften". Aber sie warnt auch: "Es wird ein Überleben sein. Kein Wachstum."
Im FUN-Netzwerk träumen manche bereits von einem Labor Day, einem Tag der Arbeit am ersten Montag im September, bei dem "zwei Millionen von uns nach Washington marschieren".