Unter Wert – 2020 stieß die Dänin Emma Holten auf einen Zeitungsartikel. Frauen, so hieß es dort, seien ein Verlustgeschäft. Nach wie vor, denn der Text bezog sich auf einen Beitrag von Danmarks Radio aus 2013. Und schon damals wurde der Wert dessen, was Frauen bzw. Männer zur Gesellschaft beitragen, auf der Basis der von ihnen gezahlten Steuern berechnet.

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Auch in einem Land wie Dänemark, weltweit eins der Länder mit der höchsten Gleichstellung, gibt es immer noch Unterschiede. Dort leisten Frauen pro Tag 54 Minuten mehr häusliche Arbeit, Mental Load noch nicht eingerechnet. Darunter versteht man die Zeit, die es braucht, um Dinge zu planen und den Haushalt zu organisieren. In Deutschland sind es übrigens zwei Stunden, die Frauen täglich mehr im Haushalt aufwenden. Und auch in Dänemark sinkt das Einkommen von Frauen nach der Geburt des ersten Kindes.

Kein Wunder also, dass ihr Steueraufkommen geringer ist als das von Männern. Aber ist dieser Maßstab richtig, um zu dem Schluss zu kommen, Frauen kosten den Staat mehr, als sie ihm einbringen? Nein, sagt Emma Holten. Das hat sie auch persönlich erlebt. 2019 musste sie ins Krankenhaus, ein engagiertes, überwiegend weibliches Pflegeteam rettete ihr das Leben. Also Frauen, die laut Zeitungsartikel dem Staat auf der Tasche liegen? Die Relevanz, die Arbeit für die Gesellschaft hat, allein materiell messen zu wollen, das passt für sie nicht zusammen. Denn was ist der wahre Preis für Fürsorge?

In ihrem Buch, das auch in Dänemark viel diskutiert wurde, beschreibt Emma Holten ein Prinzip, das seit der Aufklärung in vielen Gesellschaften prägend ist: eine Gesellschaft wie eine Fabrik zu betreiben. Daher widmet sie einen breiten Teil dem historischen Exkurs. Denn dieses Prinzip hat dazu geführt und führt immer noch dazu, dass die Arbeit, die von Frauen geleistet wurde, politisch und wirtschaftlich nie wirklich von Bedeutung war.

Mit einer feministischen Ökonomie will sie jedoch eine Neubewertung erreichen. Dass sich das lohnt, macht dieses Buch eindrucksvoll klar. Denn auch wenn der Wert dieser immer noch überwiegend von Frauen geleisteten Arbeit schwer zu messen sei – ihn zu spüren, sei nicht schwer. Auch wenn man nicht, wie Holten, im Krankenhaus landet.

Heike Langenberg

Emma Holten: Unter Wert. Warum Care-Arbeit seit Jahrhunderten nicht zählt, übersetzt von Marieke Heimburger, dtv, München, 289 Seiten, 22 Euro, ISBN 978-3423284646