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Foto: Rectangle Productions

Oxana: Mein Leben für die Freiheit

Eine moderne Rebellin für Freiheit und Frauenrechte ist Oxana Schatschko. Der ukrainischen Künstlerin, Aktivistin und Mitbegründerin der feministischen Frauenrechtsbewegung Femen hat die Regisseurin Charléne Favier ein filmisches Denkmal gesetzt. Ihr Spielfilm würdigt das kurze Leben der jungen Ikonenmalerin (1987–2018) und zeigt sie als Ideengeberin, und Kraftzentrum der jungen Guerilleras. Ihre Idee und ihr Markenzeichen war es, mit entblößten Brüsten die Blicke der Männer auf die politischen Botschaften zu zwingen, die sie auf ihre Haut geschrieben hatten.

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Die nackten Frauen mit dem Blumenkranz und den gereckten Fäusten – sie sind selbst zu Ikonen geworden; unvergessen ihre Aktionen seit 2002 auf allen möglichen Veranstaltungen. Sie gipfelten 2012 in ihrem Protest am Tag der Wiederwahl Putins; damals war es Oxana, die sich spontan das T-Shirt auszog – "unsere Waffen sind unsere Brüste!", sagt sie im Film. Die Rahmenhandlung begleitet sie 2018 am Tag der Vernissage ihrer ersten eigenen Ausstellung, während Rückblenden die Schlüsselmomente ihres Lebens zeigen.

Die Regie löst Oxana aus dem Klischee dessen heraus, was man über Femen und ihre Aktionen noch zu wissen glaubt. Intensiv verkörpert die ukrainische Schauspielerin Albina Korzh die Entwicklung der jungen Frau. Zuhause leiden alle unter dem arbeitslosen Vater, der im Wodka-Suff das Haus abfackelt. Die Kunststudentin und ihre Freundinnen hingegen lesen August Bebel, Nietzsche und Clara Zetkin – und sind danach bereit, das Patriarchat einzureißen, notfalls mit nackter Haut. Die Ukraine unter den putinfreundlichen Präsidenten prangern sie als korruptes Bordell für europäische Sextouristen an und kämpfen radikal gegen die Zwangs-Prostitution.

Doch Femen bekommt bald zu spüren, was die finnisch-estnische Autorin Sofi Oksanen in ihrem gleichnamigen Buch seziert hat: Putins Krieg gegen die Frauen. Nach Protesten 2011 in Belarus werden die Frauen Opfer eines Überfalls, von Demütigung, Folter und Haft; die Drei fliehen nach Paris. Dort – welch Überraschung – glaubt man auch ihnen nicht, was sie über Putins Terror erzählen. Sie haben den Kampf gegen den Diktator verloren. Weil aber für Oxana Schatschko Kunst gleichbedeutend war mit Revolution, so die These des Films, war ein Leben ohne Kampf bedeutungslos für sie. Daraus zog sie mit 31 die Konsequenzen. Jenny Mansch

F 2024. R: CHARLÉNE FAVIER. D: ALBINA KORZH, LADA KOROVAI, OKSANA ZHDANOVA, MARYNA KOSHKINA. L: 103 MIN., KINOSTART: 27. JULI

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Wenn der Herbst naht

Für starke Frauen ab 70 erfindet das Kino selten schöne Geschichten. In diesem lakonischen, packenden Krimi gibt es gleich zwei davon: Prostituierte im Ruhestand, die sich bei ihren Kümmernissen mit ihren erwachsenen Kindern helfen, so gut sie können. Michelle darf nach einem blöden Missverständnis ihren Enkel nicht mehr sehen. Marie-Claude sorgt sich, dass der eigentlich herzensgute Sohn, gerade aus dem Gefängnis entlassen, wieder "Dummheiten" begeht. Dieser Vincent schafft pragmatische, nur leider nicht immer gesetzeskonforme Lösungen, wo Worte nichts mehr nützen. Als unter seiner Mithilfe Michelles gefühlskalte, zickige Tochter tödlich vom Balkon stürzt, lösen sich – so brutal das klingt – alle Konflikte bestens auf. Nur das Damoklesschwert polizeilicher Ermittlungen schwebt über Michelles neuer Kleinfamilie, zu der Vincent neben ihrem Enkel mehr und mehr gehört. Die Zitterpartie währt bis zur allerletzten Minute. Nur soviel sei verraten: Sympathisch bricht Regisseur Ozon mit den Konventionen des Genres und erweckt den Eindruck, als folge alles einem höheren Plan.

Kirsten Liese

F 2024, R: François Ozon, D: Hélène Vincent, Josiane Balasko, Ludivine Sagnier, Pierre Lottin. 102 Min. Start: 28.8.

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Die Möllner Briefe

Am 23. November 1992 zündeten Rechtsterroristen zwei von türkischen Familien bewohnte Häuser in Mölln an. Drei Menschen starben, viele wurden verletzt, traumatisiert. Der Film folgt Menschen, die versuchen, heute mit den Folgen von damals zurechtzukommen. Im Zentrum steht Ibrahim Arslan, der als Siebenjähriger den Anschlag überlebte und das Andenken an seine Großmutter, Schwester und Cousine zu bewahren sucht, die ermordet wurden. Den roten Faden bildet seine Auseinandersetzung mit der Stadt Mölln um die Briefe der Anteilnahme, die damals aus dem ganzen Land an die betroffenen Familien eingingen – und den Anschlagsopfern jahrzehntelang vorenthalten wurden. Der Film wird strukturiert von diesen Briefen, es sind Kondolenzkarten, aber auch berührende Kinderzeichnungen. Ibrahim trifft einige der Absender, er sucht nach Antworten, nach Linderung. Sein jüngerer Bruder Namık, nur wenige Monate alt beim Anschlag, lässt sich das brennende Haus, in dem seine Verwandten starben, auf den Arm tätowieren. Er sagt: "Ich denk' jeden Tag dran: Warum ist uns das passiert?" Wenn die Tätowiernadel summt, Namık das Gesicht verzieht, wird der nicht enden wollende Schmerz sichtbar. Thomas Winkler

D 2025, R: MARTINA PRIESSNER, D: IBRAHIM, NAMIK uND HAVA ARSLAN, START: 25.9.25