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Michael SommerMichael Loewa/laif

Am 30. Juni 2025 ist der ehemalige DGB-Vorsitzende und ehemalige ver.di-Vize Michael Sommer im Alter von 73 Jahren überraschend verstorben. "Wir verlieren einen aufrechten, sensiblen und prägenden Gewerkschafter, der großen Einfluss auf die Entstehung und Gründung von ver.di hatte", erklärte der ver.di-Vorsitzende Frank Werneke im Namen des ver.di-Bundesvorstands. "Mit ihm geht ein entschlossener Kämpfer für die Rechte der abhängig Beschäftigten und für soziale Gerechtigkeit. Wir werden sein Andenken ehren."

Von der Post zur Gewerkschaft

Michael Sommer wurde am 17. Januar 1952 in Büderich bei Düsseldorf in arme Verhältnisse geboren. Seine alleinerziehende Mutter legte Wert auf Bildung und ermöglichte ihm den Weg zum Abitur. Sommer nahm danach ein Politologie-Studium an der Freien Universität Berlin auf, das er mit dem Arbeiten bei der Deutschen Bundespost finanzierte. Bei der Post wurde er erstmals gewerkschaftlich aktiv. Später unterstützte die Hans-Böckler-Stiftung sein Studium mit einem Stipendium. Das Thema seiner Abschlussarbeit war die Privatisierung des Postpaketdienstes. Die Privatisierung der Deutschen Bundespost durch die damalige schwarz-gelbe Regierung von Helmut Kohl hat seine nachfolgende Karriere als hauptamtlicher Gewerkschaftssekretär ab 1980 bei der Deutschen Postgewerkschaft (DPG) intensiv geprägt.

"Die Gewerkschaften sind das Stärkste, was die Schwachen haben." Michael Sommer

Zunächst arbeitete Michael Sommer als Dozent im gewerkschaftlichen Bildungszentrum Gladenbach, später als Sekretär des Bezirksvorstands in Bremen. 1982 wechselte er zum Hauptvorstand der DPG nach Frankfurt am Main, wo er die Leitungsverantwortung für die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, dann für zentrale Vorstands- und Grundsatzangelegenheiten übernahm.

1993 erfolgte die Wahl in den Geschäftsführenden Hauptvorstand der DPG, im Oktober 1997 die Wahl zum stellvertretenden Vorsitzenden. In dieser Funktion verantwortete der Gewerkschafter den Organisationsbereich der Postbank sowie die Querschnittsfunktionen Finanzen, Vermögen, Personal, Publikationen und Werbung. Prägend für die gesamte Zeit seiner politischen Arbeit im Hauptvorstand der DPG waren die Postreformen I und II mit der Zerschlagung der Deutschen Bundespost und der Bildung der drei Aktiengesellschaften Telekom, Post und Postbank. Dass der DPG damals seitens der Politik das Etikett angeheftet wurde, die "gnadenloseste Form der Interessenvertretung" zu sein, ist auch ihm zu verdanken. Seine Haltung war immer: "Die Gewerkschaften sind das Stärkste, was die Schwachen haben."

Wichtige Rolle bei der ver.di-Gründung

Beim Vereinigungsprozess zur Gewerkschaft ver.di fiel Michael Sommer eine wichtige Rolle zu. Auf ihrem Gründungskongress 2001 wurde er stellvertretender Vorsitzender der neuen Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft, kurz: ver.di. Er übernahm die Verantwortung für die Organisationspolitik, Mitbestimmung, Technologiepolitik, Mitgliederwerbung, Veranstaltungsorganisation sowie Seniorinnen und Senioren. Michael Sommer hat die ver.di-Gründungsphase entscheidend mitgeprägt und zum Zusammenwachsen von ver.di und dem Erfolg unserer damals neuen Gewerkschaft maßgeblich beigetragen.

Am 28. Mai 2002 wurde Michael Sommer zum Vorsitzenden des DGB gewählt, ein Amt, in das er zweimal wiedergewählt wurde. Er hatte es bis 2014 inne – mehr als ein Jahrzehnt. 2004 wählte der IBFG, der Internationale Bund Freier Gewerkschaften, ihn zu seinem ersten stellvertretenden Vorsitzenden. 2010 bis 2014 war Michael Sommer Präsident des IBFG.

Er war Mitglied darüber hinaus in verschiedenen Aufsichtsräten (u.a. Deutsche Telekom AG, Deutsche Postbank AG), gehörte dem ZDF-Fernsehrat an und war als SPD-Mitglied in der Friedrich-Ebert-Stiftung aktiv.

Politisches Wirken

"Michael Sommer hat in einem Jahrzehnt, das von einem neoliberalen Zeitgeist, von der Einführung der Hartz-Gesetze und von Lohn-Dumping geprägt war, stets entschlossen gegen sozialpolitische Zumutungen, wenn notwendig gegen den politischen Mainstream und für die Schwächeren in unserer Gesellschaft gekämpft – so etwa für die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns. Michael Sommer wird uns fehlen", sagt Frank Werneke.

In seiner Zeit an der Spitze der deutschen Gewerkschaftsbewegung setzte sich Sommer auch besonders für eine gerechte Rentenreform ein. Er war in Politik und Gesellschaft ein geschätzter, weil zugleich nachdenklicher und leidenschaftlicher Gesprächspartner, für den die Rechte der abhängig Beschäftigten und sozial Schwachen Priorität hatten. Als solchen werden wir Michael Sommer in guter Erinnerung behalten und seine Lebensleistung wertschätzen. Unser Mitgefühl gilt seiner Ehefrau und seiner Tochter.