Was können Mitglieder tun, um in ihrem Betrieb aktiv zu werden? Wie gewinnt man weitere Mitglieder, um mehr durchzusetzen? Wir stellen verschiedene „Werkzeuge“ vor, die in gewerkschaftlicher Arbeit und Auseinandersetzungen erfolgreich eingesetzt wurden. Dieses Mal erzählt Krankenpfleger Yannick Thiele von der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH), der dort auch Vertrauensleuteleiter ist, von ­seinen Erfahrungen mit Teamkarten.

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Yannick ThieleFoto: privat

Vor etwa einem Jahr habt ihr an der MHH für einen Entlastungstarifvertrag gekämpft. Das war nicht einfach, oder?

Es war ein sehr, sehr harter Kampf. Es war ein Arbeitssieg und kein Erdrutschsieg, aber am Ende haben wir gewonnen.

Ihr habt unter anderem mit Teamkarten gearbeitet. Erklär bitte mal.

Die Teamkarten waren unser Werkzeug, systematisch zu planen, wie und wann wir ­Gespräche führen – zur Forderungsfindung, zu Streikbereitschaft und so weiter.

Wie sieht so eine Teamkarte aus?

Darauf ist eine einfache Tabelle, wo alle Personen reingeschrieben werden, die in einem Team arbeiten. Jedes Team hat so ­eine Teamkarte angelegt. Und dann haben die ver.di Aktiven aus den Teams geschaut, mit wem sie Ge­spräche über die anstehenden Themen und die ­Streikbereitschaft führen wollen. Wir hatten über die ­Kampagne hinweg immer diese Stärketests. Einer war zum Beispiel die Forderungsbefragung.

Wie viele Teams hattet ihr?

Betroffen von dem Entlastungstarifvertrag sind 3.800 bis 4.000 Beschäftigte. Und über 180 Teams haben an der Forderungs­befragung teilgenommen.

Wie bist du vorgegangen?

Ich habe mir meine Teamkarte genommen und geplant: Ich will mit mindestens der Hälfte meines Teams eine Forderung aufstellen, ­also muss ich mit mindestens zwölf Leuten sprechen. Als erstes habe ich mit denen gesprochen, von denen ich wusste, dass sie offen für das Thema sind. Sobald ich ein Gespräch geführt habe, habe ich es in der Teamkarte markiert. Und dazu auch, wer gewerkschaftlich organisiert ist oder noch nicht. So konnte ich gut sehen: Habe ich schon eine Mehrheit im Team, habe ich mit allen Leuten gesprochen? Und so haben wir ver.di-Aktiven eine gute Übersicht in jedem Team bekommen. Und es war auch praktisch in den Gesprächen, diese Teamkarte mitzunehmen, um seinen Kollegen zu zeigen, schau, wir sind schon zehn Leute in der Gewerkschaft. Wenn du beitrittst, sind wir die Mehrheit. Also das war auch in den Gesprächen ein Instrument, um unsere Stärke zu zeigen, weil sie da eben sehr präsent auf einen Blick sichtbar war.

Was würdest du rückblickend sagen war der Schlüssel zum Erfolg?

Wir hatten schon von Anfang an so einen „Plan-to-Win“. Das war eine Grafik, die wir auf einem Papier hatten, die die verschiedenen Stufen gezeigt hat, die uns in den nächsten Monaten erwarten und die gezeigt hat, wie wir glauben, dass wir zum Sieg kommen und Entlastung vereinbaren können. Und natürlich war Entlastung auch ein sehr präsentes Thema im Krankenhaus, also jeder hat das sehr, sehr wichtig empfunden, deswegen war das nicht so schwer, die Leute auch da zum Gespräch zu motivieren. Aber für viele war es schwer vorstellbar, dass wir sowas durchsetzen. Mit unserem „Plan-to-Win“ wurde das auf einmal greifbar, und es wurden so klare Schritte sichtbar, was wir unternehmen müssen, um gemeinsam zur Entlastung zu kommen. Ich glaube, dass dadurch, dass wir diesen konkreten Plan hatten, an dem man sich langhangeln konnte, dieses Ohnmachtsgefühl weggefallen ist. Das hat sehr viele motiviert und das hat auch sehr viel Hoffnung gegeben.

Habt ihr durch diese Arbeit mit den Teamkarten, diese vielen Gespräche auch neue Mitglieder gewonnen?

Ja, wir haben während der Tarifrunde über 840 neue Mitglieder gewonnen und unseren Organisationsgrad glaube ich mehr als verdoppelt.

Hast du einen Tipp für andere Kolleg*innen? Teamkarten sind ein echt super Instrument! Wir nutzen das jetzt auch in der nächsten Tarifrunde wieder, weil es sich total bewährt hat. Und es ist so simpel. Wenn man den Leuten erzählt, sie sollen irgendwie ihren ­Betrieb organisieren, dann ist das so überwältigend, aber wenn es um ein eigenes Team geht, dann ist es sehr realistisch, dass man auch zu Mehrheiten kommt. Denn gewerkschaftliche Organisierung findet vor allem auf Team-Ebene statt. Und es ist sehr viel leichter, mit Kolleg*innen zu sprechen, die ich gut kenne und jeden Tag sehe, als mit mehr oder weniger fremden. Deswegen: Ich glaube, Teamkarten sind der way to go in der Zukunft.

Interview: Fanny Schmolke