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Jens Lekman: Songs For Other People's Weddings

Von der Musik zu leben, ist oft eher bloßes Überleben. Auch Jens Lekman hat einen Nebenjob. Der eigentlich recht erfolgreiche Singer-Songwriter aus Schweden tritt schon sehr lange als Hochzeitssänger auf. Nachdem er 2004 auf seinem ersten Album versprochen hatte, dass er in der Lage sei "jedes dumme Liebeslied, das jemals dein Herz berührt hat", aufzuführen, wollten die Einladungen gar nicht mehr abreißen. Seit es immer schwerer geworden ist, mit Musik Geld zu verdienen, erzählt der mittlerweile 44-Jährige, wurden die Auftritte auf Hochzeiten ein immer wichtigeres finanzielles Standbein.

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Nun ist aus dem Nebenjob ein multimediales Projekt geworden. Zusammen mit dem befreundeten US-amerikanischen Schriftsteller David Levithan, der vor allem mit Jungendliteratur bekannt geworden ist, entwickelte Lekman eine Romanidee: Ein Indie-Musiker spielt auf Hochzeiten nicht nur Schnulzen und Gassenhauer, sondern schreibt jedem Hochzeitspaar auch noch einen maßgeschneiderten Song. Levithan schrieb ein Buch mit Liedern und Lekman die Lieder zum Buch. "Songs for Other People's Weddings" ist nun Roman und Album, die gleichzeitig erscheinen, aber natürlich auch: eine Feier der Liebe.

Jeder Song erzählt eine neue Liebesgeschichte, die auch noch alle glücklich ausgehen, denn besungen werden Paare, die gleich gemeinsam vor den Altar schreiten. Mal haben sie sich in New York am Hafenpier kennengelernt, ein anderes Mal wird auf der anderen Seite des Atlantiks geheiratet: Wedding in Leipzig. Mal fasst jemand beim Prince-Song Raspberry Beret den Mut, seine Traumfrau anzusprechen, mal kommt ein Paar nach einer Trennung erneut zusammen. Lekman singt diese Geschichten mit klarer Stimme zu schwerelosem Folk, schwelgerischem Pop, und tanzt sodann zum Disco-Rhythmus in die Hochzeitsnacht hinein.

Songs for Other People's Weddings ist eine sehr eingängige, aber doch auch ehrfürchtige Verbeugung für die emotionale Größe, die der richtige Song zur richtigen Zeit am richtigen Ort entwickeln kann. Oder, wie Jens Lekman sein neues Album selbst charakterisiert: "Ein Liebeslied an das Liebeslied."

Thomas Winkler

JENS LEKMAN: "SONGS FOR OTHER PEOPLE'S WEDDINGS" (SECRETLY CANADIAN0/CARGO) & DAVID LEVITHAN: "SONGS FOR OTHER PEOPLE'S WEDDINGS: A NOVEL", ENGL. AUSGABE BEI ABRAMS PRESS, 301 SEITEN, 22,65 €

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Till Brönner: Italia

Er ist Deutschlands erfolgreichster Jazzmusiker, wobei er die Trennlinie zwischen Jazz und Pop nicht so scharf zieht wie etliche seiner Kollegen. Trompeter Till Brönner, der als Kind in Rom aufgewachsen ist, zelebriert auf Italia die Exzellenz italienischer Populärmusik. Weniger präsentiert er allerdings das Schlagerhafte als vielmehr Titel, die dem Chanson und dem Singer-Songwriter-Metier nahestehen. Brönner startet mit dem auch international wertgeschätzten Klassiker "Estate" (italienisch für Sommer) und präsentiert sich gleich als Meister der Geschmeidigkeit auf der Trompete. Was sich so unfassbar leicht anhört, ist freilich hohe Kunst. Neben der scheinbaren Schwerelosigkeit aus Bossa- und Samba-Rhythmen geht es auch schon mal zupackender zur Sache, wie beispielsweise in Quando, Quando, Quando mit seinem betont funkigen Groove. Insgesamt ein lässiges Wechselspiel aus Lounge und Tanzbarem, in dem Brönner auch mal auf Italienisch singt und aktuelle Künstler wie Gitarrist Nicola Conte, Sängerin Chiara Civello und Sänger Mario Biondi ihre Gastbeiträge liefern. Eine Verneigung vor Bella Italia ohne nostalgische Verklärung. Peter Rixen

earMUSIC /EDEL

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AnNa R.: …Mut zur Liebe

Ihr neues und zugleich letztes Album könnte kaum rosenstolziger beginnen: "Wir brauchen mehr Mut zur Liebe, wir brauchen mehr Mut zum Glück", singt AnNa R., "wir brauchen mehr Menschlichkeit und Wärme". Genau das war es, was Rosenstolz, das gemeinsame Duo von Peter Plate und AnNa R., seinen Fans gab: Einfache, aber umso größere und immer authentische Gefühle, verpackt in jederzeit mitsingbare Melodien, die jeden und jede mitnahm, die sich einsam und missverstanden, marginalisiert und ausgegrenzt fühlte. Während sich Plate nach der Trennung von Rosenstolz im Jahr 2012 von der Bühne zurückzog, um als Musical-Macher das Theater des Westens in Berlin aufzumöbeln, hielt AnNa R. mit ihrer Band Gleis 8 und später als Solistin bis zu ihrem überraschenden Tod im vergangenen März den Geist von Rosenstolz am Leben. Sie sang neue Empowerment- und Durchhaltelieder, die die bekannte Botschaft transportierten – und das tun auch die Songs des nun posthum erscheinenden letzten Albums "Mut zur Liebe". Wenn man am Boden liegt, muss man wieder Aufstehen, singt sie im gleichnamigen Song, "und ich bin immer noch hier", heißt es in Zwanzig nach vier. Und auch die Lösung ist weiter dieselbe: "Ach, wie schön kann Liebe sein". AnNa R. wurde 55 Jahre alt, ihre Lieder und ihre Stimme geben denen weiter Trost, die ihn benötigen.

Thomas Winkler

Ariola Local/Sony Music