Ausgabe 05/2025
Viel Glanz, kaum Gewicht
Im letzten Kommentar haben wir angekündigt, dem neuen Hamburger Senat genau auf die Finger zu schauen. Nach mehr als 100 Tagen zeigt sich: Politik im Schaufenster ist zu wenig. Doch genau dort stellt der Senat seine Vorhaben aus – glänzend formuliert, aber mit kaum Gewicht. Vieles klingt nach Aufbruch, doch konkrete Schritte bleiben rar.
Beim Tariftreue- und Vergabegesetz vertröstet er auf Berlin. Hamburg ist keine Außenstelle des Bundes – Verantwortung beginnt vor Ort. Wer Respekt vor der Arbeit der Menschen hat, muss selbst handeln: Öffentliche Aufträge gehören in tarifgebundene Hände.
Auch der Vorschlag zur Hamburg-Zulage ist kein Befreiungsschlag, sondern bisher eher nur ein Feigenblatt. Die Mitte Juli angebotenen 75 Euro für nur ausgewählte Bereiche im öffentlichen Dienst der Länder in Hamburg werden dem Ernst der Lage nicht gerecht – nicht nur mit Blick auf die Gehaltsunterschiede zum Umland, sondern auch mit Blick auf Personalknappheit und unzureichende Stellennachbesetzungen. Und wer nur einmal die Lebenshaltungskosten in Hamburg denen im Hamburger Umland gegenüberstellt, der erkennt sofort: Das ist kein Ausgleich, das ist Augenwischerei.
Und während Kitas, Pflege, Bürger*innenämter und Stadtreinigung ächzen, lässt der Stellenaufbau weiter auf sich warten. Wer Entlastung verspricht, muss liefern – Schichtpläne füllen sich nicht mit warmen Worten.
Immerhin beim Nahverkehr setzt Hamburg richtige Zeichen: kostenloses Schüler*innenticket, angekündigtes Senior*innenticket, Verteidigung des Deutschlandtickets. So geht soziale Politik. Warum nicht auch in anderen Bereichen? In einer Stadt, die es sich leisten könnte? Doch während viele Baustellen offen bleiben, will der Senat mal so nebenbei eine "Regelabfrage" beim Verfassungsschutz einführen: Jede ausgesuchte Bewerberin, jeder ausgesuchte Bewerber für den öffentlichen Dienst soll vorab überprüft werden. Das Ziel: den öffentlichen Dienst vor Extremist*innen zu schützen. Dieses Ziel teilen wir – doch das gewählte Instrument ist aus unserer Sicht falsch. Wer Extremismus verhindern will, muss Vertrauen in die Demokratie stärken, statt Misstrauen zu schüren, muss zivilgesellschaftliches Engagement fördern und soziale Politik machen. Da ist noch viel Luft nach oben.
Hamburg hat die Chance, mehr zu sein als eine Stadt der Ankündigungen. Es geht um echte Verbesserungen für die, die sie am Laufen halten. Hamburg hat die Wahl: eine Stadt für alle – oder nur ein Schaufenster.
Sandra Goldschmidt, Landesbezirksleiterin ver.di Hamburg