Ausgabe 05/2025
"Wir sind gestärkt aus der Tarifrunde rausgegangen"

ver.di publik: Was machst du am DHL -Hub?
Mario Micknaß: Ich arbeite als Pushbackfahrer. Das heißt, ich fahre ein Schleppfahrzeug, mit dem ich Flugzeuge von ihrer Standposition bewege – entweder mit Schleppstange oder indem ich sie anhebe. Wir bringen die Maschinen auf verschiedene Parkflächen oder an die Taxiway, von wo aus sie selbst weiterrollen können.
Ist das eine typische Position?
Nein, nicht viele haben diesen Job. Tagsüber sind wir zwölf Leute im Einsatz, nachts etwa 28. Für die Tätigkeit braucht man eine Zusatzausbildung. Aber ich bekomme durch meinen Job auf dem Rollfeld viel mit – ich komme an allen Ladegruppen vorbei und spreche mit vielen Beschäftigten.
Du warst auch Mitglied der Verhandlungskommission. Wo wurde es in den Tarifverhandlungen besonders hitzig?
Am heftigsten war es in der letzten Runde. Die Arbeitgeberseite war sehr enttäuscht, dass ihr letztes Angebot nicht angenommen wurde – sie hatten fest damit gerechnet. Nach der Urabstimmung dagegen gab es klare Worte, auch Vorwürfe gegen das ver.di-Unterstützungsteam, das angeblich die Stimmung angeheizt habe. Tatsächlich hat dieses Team uns einfach nur gestärkt.
"Wir wollen Druck machen, aber wir halten uns an Absprachen. Dieses Verantwortungsbewusstsein fand ich sehr stark."
Wie hast du die Streiktage erlebt?
Ich war in der Streikleitung und habe auch direkt mit den Arbeitgebern telefoniert. Am meisten beeindruckt hat mich, dass die Beschäftigten sich zum ersten Mal wirklich gehört fühlten. Am Beginn der Tarifrunde hatten wir eine große Umfrage gemacht: Wo drückt der Schuh, was wollt ihr erreichen? Viele Kolleg*innen sagten: So etwas gab es hier noch nie. Dazu kommt, dass wir inzwischen rund 200 Vertrauensleute haben – vorher waren es nur wenige. Dadurch war die Kommunikation ganz anders. An den Streiktagen selbst hat man den Zusammenhalt gespürt. Wir mussten eine Notdienstvereinbarung einhalten, also sicherstellen, dass bestimmte Tätigkeiten weiterlaufen. Wenn wir Kolleg*innen vom Streikplatz dafür brauchten, sind sie ohne Murren reingegangen. Alle wussten: Wir wollen Druck machen, aber wir halten uns an Absprachen. Dieses Verantwortungsbewusstsein fand ich sehr stark.
Wie kam das Tarifergebnis – 11,3 Prozent mehr Geld – an?
Die Zustimmung lag bei 88 Prozent, also sehr deutlich. Viele hätten sich zwar eine kürzere Laufzeit gewünscht, weil das ursprüngliche Ziel 12 Prozent auf 12 Monate war. Aber fast 12 Prozent insgesamt sind ein großer Erfolg. Außerdem sind in der Tarifrunde über 400 Kolleg*innen neu in ver.di eingetreten. Das zeigt, dass wir gestärkt rausgehen – und dass die Beschäftigten gesehen haben, was gemeinsam möglich ist.
Welche Erwartungen gibt es für die nächste Verhandlungsrunde?
Offiziell haben wir das noch nicht abgefragt. Aber klar ist: Mehr Geld wird wieder Thema sein. Viele bei uns arbeiten in Teilzeit, 30 oder 34 Stunden, da ist dann der Grundlohn entsprechend niedrig. Mit Zuschlägen – etwa für Nachtarbeit – finanzieren sie ihr Leben. Mit den 11,3 Prozent kommen wir dem Median-einkommen in Deutschland näher. Dazu gibt es Wünsche nach einer Aufwertung für langjährige Mitarbeit oder für Zusatzqualifikationen. Diese Punkte werden wir als Nächstes angehen.
Interview: Rita Schuhmacher