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Heute dürfen auch Frauen auf der Farm in Landau einen Traktor fahrenFoto: Christian Selz

Manchmal sprechen Kulissen Bände. Als eine Delegation des ver.di-Fachbereichs Handel im Frühsommer zu Gesprächen mit der Landarbeiter*innengewerkschaft CSAAWU nach Südafrika reiste, besuchten die Kolleg*innen zwei Betriebe. Auf der ersten Farm ließ sich das Management nur in Form von Spähern sehen, die die Szenerie aus dem Auto heraus beobachteten. Die Beschäftigten mussten mit ihren Gästen auf dem Rasen des Gehöfts sitzen. Auf Farm zwei stellten sich der Geschäftsführer und die beiden Farm-Manager gemeinsam mit den beiden Vertrauensleuten der Gewerkschaft vor die Besucher, um ihnen zu erörtern, was man miteinander ausgehandelt hat. Die Symbolik dort: Man arbeitet zusammen, auf Augenhöhe. In der noch immer vom Erbe der Apartheid geprägten südafrikanischen Landwirtschaft ist das alles andere als die Norm.

Zane Meyer ist dieser Geschäftsführer der zweiten Farm, zum Interview lädt er einige Wochen später in sein Büro in der Kleinstadt Paarl ein. Meyer, um die 60, ist im Hauptberuf Anwalt für Arbeitsrecht, auf seinem Schreibtisch türmen sich Aktenberge, die von der Metermarke nicht mehr weit entfernt sind. Im Jahr 2010 hat er gemeinsam mit Geschäftspartnern die nebeneinander gelegenen Farmen Landau und Majuba erworben, die als Einheit bewirtschaftet werden. Hauptsächlich Zitrusfrüchte werden dort, eine gute Autostunde nordöstlich von Kapstadt, angebaut, aber auch Wein. Ein Großteil der Produktion ist für den Export bestimmt und landet vor allem in europäischen Supermärkten.

Vom Arbeiterkind zum Manager

"Wir haben viel Kapital und Zeit investiert, um die Farm zu einer modernen und produktiven Anlage zu machen", sagt Meyer. Zugleich habe man die Unterkünfte der Beschäftigten überholt, um sie "ein wenig akzeptabler" zu gestalten. Der Chef erzählt, dass er selbst der erste in seiner Familie war, der an einer Universität studieren konnte. Auch wenn er, ein weißer Südafrikaner, damals Privilegien gehabt habe.

Dann spricht er über die schwierige Situation südafrikanischer Farmarbeiter*innen: "Sie haben enorme Herausforderungen, resultierend aus der Geschichte, der Bildung – die meisten Farmarbeiter haben nicht dieselben Möglichkeiten, die andere Menschen haben", sagt Meyer. "Sehr wohltuend" sei es deshalb, nun zu sehen, dass einige der Farmarbeiterkinder gute Noten aus der Schule nach Hause brächten. Teil eines Prozesses sei das, sagt er dann, und dass man eines Tages sehen wolle, dass Arbeiterkinder als Manager oder Buchhalter auf die Farm zurückkehren.

Das ist die herzerwärmende Seite seiner Erzählung. Die betriebswirtschaftliche geht so: "Bessere Produkte führen zu besseren Preisen und dabei ist die Arbeit der Arbeiter ein Faktor. Wenn man die Bedingungen für die Arbeiter verbessert, bekommt man eine bessere Produktion. Das ist ein Kreis", erklärt Meyer.

Der Vertrauensmann und Kettensägen-Operator

Den Faktor Gewerkschaften erwähnt er dabei zunächst nicht. Für Nols van Wyk allerdings war gerade die Organisierung der Belegschaft entscheidend für den Wandel bei Landau. Van Wyk, geboren 1971 im 6.000-Seelen-Ort Carnarvon inmitten der Halbwüste Karoo, kam 1992 als Saisonarbeiter auf die Farm Majuba, die damals noch eigenständig war. Bald erhielt er eine Festanstellung, heute ist er einer von vier CSAAWU-Vertrauensleuten auf der Farm.

2021 – es ging das Gerücht um, das zwölf Kolleginnen entlassen werden sollten – war es van Wyk, der Hilfe suchte. "Eines Abends habe ich alle Farmarbeiter zusammengerufen und gesagt: Es ist jetzt an der Zeit, wir müssen uns vereinigen und einer Gewerkschaft beitreten", erinnert er sich. Einen Tag nach seinem Anruf stand CSAAWU-Mitgründer und Organisationssekretär Karel Swart dann schon auf der Matte. 66 von 70 Beschäftigten traten ein, die zwölf Frauen behielten ihre Arbeit und wurden in die betriebliche Krankenversicherung integriert. "Ab dem Punkt haben wir Fortschritte gemacht", sagt Van Wyk.

"Der Kindergarten wurde ausgebaut und alle Häuser der Beschäftigten auf der Farm renoviert", erzählt der drahtige Kettensägen-Operator. "Einmal im Vierteljahr machen wir dort mit den Farm-Managern eine Inspektion und reparieren, was kaputt ist." Auch auf der finanziellen Seite hat sich etwas getan. Die Beschäftigten verdienen jetzt etwas mehr als den Mindestlohn der Agrarbranche. "Wir haben erstmals die Einführung einer Vorsorgeversicherung erreicht", betont zudem CSAAWU-Generalsekretär Deneco Dube. Wo vorher nur Wasserhähne im Freien waren, gebe es nun fließend Wasser in jeder Unterkunft, Straßenlaternen in den Wohnarealen sorgten nachts für mehr Sicherheit. Zudem würden die Arbeiter für den Umgang mit Pestiziden nun endlich geeignete Schutzkleidung erhalten.

Dube führt die Veränderungen maßgeblich auf eine in den vergangenen Jahren aufgebaute Kooperation mit ver.di zurück. Kolleg*innen des Fachbereichs Handel sind bei Landau per Videokonferenz direkt in die Verhandlungen mit der Unternehmensführung involviert. "Die Partnerschaft mit ver.di ist von entscheidender Bedeutung, weil wir dadurch direkt mit den Beschäftigten in den Supermärkten in Kontakt sind, in denen die Produkte der Unternehmen verkauft werden", erklärt er. Durch eine gemeinsame Strategie habe man Druck erzeugen und das Management zu offeneren Verhandlungen an den Tisch bringen und so die genannten Veränderungen erreichen können.

Frauen dürfen jetzt Traktor fahren

"Die Verhältnisse haben sich geändert. Die Arbeiter, insbesondere die Vertrauensleute, haben jetzt mehr Selbstvertrauen, wenn sie auf das Management zugehen." Und auch wenn es noch hier und da Probleme gebe, spricht Dube von einem "respektvollen Umgang" miteinander. Ein Punkt, in dem ihn sogar Meyer bestätigt: "Ich glaube ehrlich, dass es geholfen hat", sagt der Geschäftsführer über das Engagement der ver.di-Kolleg*innen. "Sie können uns Beispiele geben, wie man Dinge angehen kann."

"Es hat sich schon einiges verändert, grundlegende Menschenrechte werden jetzt teilweise umgesetzt."
Silvia Wolfbauer, Betriebsrätin bei REWE-Süd

Gerade vor dem Hintergrund der oft sehr konfrontativen Arbeitskämpfe in Südafrika sowie der krassen gesellschaftlichen Gegensätze von Beschäftigten und Bossen im Land mit der weltweit höchsten Ungleichverteilung von Einkommen sind das ungewohnte Töne. Sie bedeuten nicht, dass bei Landau alles glänzt. "Es hat sich schon einiges verändert, grundlegende Menschenrechte werden jetzt teilweise umgesetzt", sagt Silvia Wolfbauer, die als Betriebsrätin bei REWE-Süd von Anfang an in die Kooperation eingebunden war. Gerade zu Anfang habe sie das Gefühl gehabt, dass "die Apartheid auf den Farmen noch sehr ausgeprägt ist". Dazu gehört stets die Schlechterstellung von Frauen, die nun ebenfalls angegangen wird: Bei Landau dürfen sich nun erstmals auch Frauen zur Traktorfahrerin ausbilden lassen.

Es sind kleine erste Schritte zu einem wesentlich größeren Ziel. CSAAWU hat bereits 23 weitere Farmen identifiziert, auf denen das Pilotprojekt ausgeweitet werden soll, sagt Generalsekretär Dube. Und Martin Lechner vom Internationalen Bildungswerk tie, der die Kooperation begleitet, denkt bereits eine Ebene weiter: "Wir wollen langfristig so viel gewerkschaftliche Stärke entlang der Lieferkette aufbauen, dass wir auf die Weinindustrie Einfluss nehmen können", sagt er. "Wir probieren hier eine komplett neue Form internationaler Gewerkschaftsarbeit aus, die uns in allen Kämpfen um bessere Arbeits- und Lebensbedingungen stärkt."

Das Ziel sei "eine gewerkschaftliche Praxis, die den globalen Verkettungen der Unternehmen angemessen", zugleich aber "nicht auf Beschwerdemechanismen oder Vertretung durch andere angewiesen ist". Der Fokus liegt auf der eigenen Stärke durch die Verbindung zwischen Kolleg*innen. "Gesetzestexte und Normen sind wichtige Werkzeuge", sagt Lechner, "aber sie sind immer nur so stark, wie die Gewerkschafter*innen, die für ihre Umsetzung sorgen."