"Weit überwiegend verfassungswidrig", das ist eine (verbale) Klatsche. Verpasst hat sie das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe dem Land Berlin. In dem Verfahren ging es um die Bezahlung von Beamt*innen. Geprüft hatte der 2. Senat die Besoldungsordnungen A für die Jahre 2008 bis 2020. Dazu zählen Tätigkeiten bei der Feuerwehr und der Verwaltung, aber auch der Polizei.

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Heike Langenberg ist Redakteurin in der ver.di-ZentralredaktionFoto: Renate Kossmann

Das Gericht kam zu dem Schluss, dass 95 Prozent der geprüften Besoldungsgruppen nicht mit dem Artikel 33, Satz 5 des Grundgesetzes vereinbar seien. Beamt*innen seien amtsangemessen zu bezahlen, das meint das sogenannte Alimentationsprinzip. Schon aus anderen Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts ging hervor, dass die niedrigste Besoldungsstufe mindestens 15 Prozent über dem Grundeinkommen liegen müsse. Doch das Land Berlin hielt sich nicht daran. Bis Ende 2027 muss die Besoldung neu geregelt werden, gaben die Karlsruher Richter*innen den Dienstherren in der Hauptstadt mit auf den Weg. Anspruch auf Nachzahlungen haben diejenigen, die Widerspruch eingelegt oder geklagt haben.

Die Entscheidung hat auch Auswirkungen auf andere Bundesländer und den Bund. Die angemessene Besoldung von Beamt*innen ist immer wieder Streitpunkt. So hat der Bund als letzter Dienstherr Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts von 2020 immer noch nicht umgesetzt. In Niedersachsen ist das zwar 2023 geschehen, aus 2024 liegen aber erneut rund 28.000 Widersprüche vor. Das schleswig-holsteinische Verwaltungsgericht hatte erst wenige Tage vor der Karlsruher Entscheidung eine Überprüfung der Beamt*innen-Bezüge für 2022 gefordert. Daher hat das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung gleich die Prüfparameter mit vorgegeben. Sie orientieren sich jetzt am mittleren Äquivalenzeinkommen.

In der Entscheidung wird besonders die demokratieschützende Funktion von Berufsbeamt*innen betont. Das Alimentationsprinzip soll ihre Unabhängigkeit sichern, damit sie eine rechtsstaatliche Verwaltung gewährleisten können. Doch dieses "tragende Element des Rechtsstaats" einem akuten Armutsrisiko auszusetzen und sich erst vom obersten deutschen Gericht eines Besseren belehren zu lassen – das ist ein Armutszeugnis.