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Lolita lesen in Teheran

Mit Romanen von Nabokov, Fitzgerald oder Jane Austen ermöglicht Azar Nafasi ihren Studentinnen, über Liebe, Freiheit und Konventionen nachzudenken. Aber Widerstand innerhalb der Seminare gibt es auch: Einige Männer wollen die angeblich sittenwidrigen westlichen Bücher verbieten. In ihrer gleichnamigen Autobiografie, auf der die filmische Adaption basiert, erinnert sich die in den USA lebende Literaturwissenschaftlerin an ihre Anfänge an der Universität in Teheran kurz nach dem Sturz des Schahs. Sie und zahlreiche Gleichgesinnte begehren 1979 gegen Zensur und Unterdrückung auf, weigern sich stoisch, öffentliche Gebäude mit Hijab zu betreten, wie es das neue Gesetz vorsieht. Aber einige werden nach Protesten hingerichtet, andere gefoltert und eingesperrt. Höchst aufwühlend schildert Eran Riklis, wie die Protagonistin unter dem fundamentalistischen Regime zusehends leidet, bis sie keinen anderen Ausweg mehr sieht, als das Land zu verlassen. Seither hat sich wenig verändert, im Gegenteil: Migrantinnen können es kaum abwarten, bald auch in deutschen Schulen mit Kopftuch zu unterrichten. Das unterstreicht die erschreckende Aktualität dieser bewegenden, aber auch sehr energetischen, dichten Erzählung. Kirsten Liese

Italien/Israel 2025. R: Eran Riklis. D: Golshifteh Farahani, Zar Amir Ebrahimi, Mina Kavani, Reza Diako, Arash Marandi u.a. 108 Min. Kinostart: 20.11.25

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Death By Lightning

Die Chance, vom Blitz erschlagen zu werden, erschien dem 20. US-Präsidenten James A. Garfield 1881 um einiges wahrscheinlicher, als einem Attentat zum Opfer zu fallen. Dieses Urvertrauen in seine Bürger erwies sich für das überraschend gewählte Staatsoberhaupt als fatal, seine Amtszeit wurde durch einen Schuss in den Arm und einen in den Leib schon nach drei Monaten beendet. Garfield ist also eigentlich eine historische Randfigur, die in Vergessenheit geraten war. Das ändert nun diese fein inszenierte Miniserie. In fünf einstündigen Folgen taucht sie in den Wahlkampf um die US-Präsidentschaft ein. Vor dem Kongress hält der Republikaner und Sklaverei-Gegner Garfield für seinen Wunschkandidaten John Sherman eine solch beseelte Rede, dass stattdessen er zum Präsidenten gewählt wird. Der politische Autodidakt glaubt an soziale Gerechtigkeit und Bildung genau wie sein allzu glühender Bewunderer Charles J. Guiteau, der schließlich aus gekränkter Eitelkeit und Größenwahn zu seinem Mörder wird. Den fanatisierten, übergriffigen Versager Guiteau, dessen kränkliches Gehirn bis heute konserviert wird, spielt Mathew MacFayden (Succession) so brillant unerbittlich, man würde seine Figur heute der Maga-Bewegung zuordnen. Deren Verhältnis zu Macht und Meinungsfreiheit ähnlich volatil anmutet. Jenny Mansch

Miniserie 2025. R: Matt Ross. D: Matthew Macfadyen, Michael Shannon, Betty Gilpin u.a. 5 Folgen. Netflix

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Eddington

Eddington ist eine öde Kleinstadt in New Mexico, in Nachbarschaft gelegen zu einem Navajo-Reservat und von Corona gelähmt. Der Bürgermeister setzt auf alle Schutzmaßnahmen einschließlich Maskentragen. Der Sheriff hält von all dem nichts. Er beschließt, bei der anstehenden Wahl gegen den Bürgermeister anzutreten – und eskaliert damit die durch die Pandemie ohnehin schon angespannte Stimmung. Ein riesiges Rechenzentrum in Bau spaltet wegen der Wasserknappheit die Gemeinschaft zusätzlich. Dazu kommt die Black-Lives-Matter-Bewegung, die ihren Weg ebenso nach Eddington findet wie die Schwiegermutter des Sheriffs, eine beinharte Verschwörungstheoretikerin. Eddington ist ein Abbild der USA am Rande des Wahnsinns, in der jede einzelne Person ihre Neurose pflegt. Ist schon der Wahlkampf des Sheriffs kaum an Absurdität zu übertreffen, öffnet er selbst das Tor zur Hölle, als er seine ebenfalls neurotische Frau an einen weiteren Verschwörungstheoretiker verliert und seine Wahl zu scheitern droht. So viel sei verraten: Es wird blutig. Eddington ist eine bitterböse Komödie, Horrorfilm zugleich und ab der zweiten Hälfte nix für schwache Nerven, aber für Fans von Filmen wie Pulp Fiction oder Serien wie Twin Peaks. Petra Welzel

USA 2025. R: Ari Aster. D: Pedro Pascal, Joaquin Phoenix, Emma Stone, Luke Grimes u.a. 145 Min. Kinostart: 20.11.25