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Marlene Engelhorn, Publizistin, reiche Erbin und Gründerin von "Tax me now" setzt sich – mit dem Elefant im Raum – für die Besteuerung der Reichen einFoto: Mashid Mohadjerin/NYT/Redux/laif

Das Bundesverfassungsgericht hat 2025 ein wichtiges Urteil zur Erbschaftssteuer auf seine To-Do-Liste geschrieben. Ob das Gericht in diesem Jahr damit fertig wird, ist noch unklar – doch in der Konsequenz könnte die Entscheidung dafür sorgen, dass Superreiche endlich mehr zum Staatshaushalt beitragen müssen als bisher.

Geklagt hat ein Mann, der von seiner Tante Wertpapiere und den Teil eines Hauses geerbt hatte und darauf 30 Prozent Steuern zahlen musste. Dagegen zahlen Milliardärsfamilien meist so gut wie gar nichts, wenn sie ihr Vermögen zu Lebzeiten oder nach ihrem Tod an die jüngere Generation weitergeben. Viele Steuerberater bezeichnen die Erbschaftssteuer deshalb als "Dummensteuer", die Reiche durch gute Planung einfach umgehen können.

Im vergangenen Jahr erhielten 45 Großerben zusammengerechnet ein Vermögen von 12 Milliarden Euro. Die Finanzämter errechneten für sie zunächst Erbschafts- und Schenkungssteuern in Höhe von 3,5 Milliarden Euro – reduzierten die Forderung danach aber um über 3,4 Milliarden Euro, sodass am Schluss ein realer Steuersatz von mickrigen 1,5 Prozent herauskam. Die Bundesländer, denen die Erbschaftssteuer laut Gesetz zusteht, gingen hierbei also so gut wie leer aus. Dagegen wird normalerweise jenseits von Freibeträgen, die je nach Verwandtschaftsgrad zwischen 20.000 und 500.000 Euro betragen – eine progressive Steuer von bis zu 50 Prozent fällig.

Milliardäre zahlen oft keinen Cent

Ursache dieser offensichtlichen Ungerechtigkeit ist die extrem erfolgreiche Lobbyarbeit von zwei Organisationen, die angeblich im Interesse von Familienunternehmen agieren, hinter denen aber tatsächlich vor allem Milliardärsfamilien stehen. Sie behaupten, dass Erbschaftssteuern für ihr Klientel zu Arbeitsplatzverlusten oder zur Verlagerung von Betrieben ins Ausland führen würden. Das ist nachweislich Unsinn. Sowohl die OECD als auch der Beirat des Finanzministeriums gehen sogar umgekehrt davon aus, dass die aktuelle Gesetzeslage dem Wirtschaftsstandort Deutschland schadet.

Schon 2009 ermöglichte ein Gesetz, Unternehmensvermögen komplett steuerfrei zu vererben. Das Bundesverfassungsgericht stoppte das 2014 und forderte den Gesetzgeber auf, nachzubessern. Doch die Regelung, die 2016 unter der schwarz-roten Regierung verabschiedet wurde, schuf ein neues Schlupfloch mit Namen "Verschonungsbedarfsprüfung". Weisen Beschenkte oder Erben nach, dass sie am Stichtag nicht über ausreichend Privatvermögen verfügen, um die Steuer zu bezahlen, wird sie ihnen erlassen.

So etwas lässt sich organisieren: Die Erben verwandeln ihr Geldvermögen rechtzeitig um in Aktienpakete oder Anteile des Unternehmens, das sie anschließend bekommen, oder sie gründen eine Familienstiftung, die am Anfang noch über kein Vermögen verfügt. Was nach dem Stichtag passiert, ist schnuppe: Spätere Ausschüttungen und Unternehmensgewinne sind für die Schenkungs- und Erbschaftssteuerberechnung irrelevant. Und so kommt es, dass eine Privatperson für drei geerbte Wohnungen hohe Steuern zahlen muss, während 300 Wohnungen als Unternehmen gelten und bei kluger Gestaltung steuerfrei an die nächste Generation weitergegeben werden können.

Das absehbare Urteil des Bundesverfassungsgerichts hat sogar CDU-Fraktionschef Jens Spahn zu erstaunlichen Äußerungen motiviert. "Die Vermögensverteilung in Deutschland ist sehr ungleich. Ich halte das für ein Problem, übrigens nicht erst seit letzter Woche." Was daraus folgt, sagte Jens Spahn allerdings bisher nicht; erst einmal müsse man das Urteil des Bundesverfassungsgerichts abwarten.

Dass die Lobbyarbeit der Reichen beim Thema Erbe so erfolgreich war, liegt vor allem auch daran, dass sie in der Öffentlichkeit viele Nebelkerzen gezündet haben und die Angst bei Kleinerben vor einer Gesetzesänderung schüren. So fürchten viele, dass sie die Steuer auf "Omas Häuschen" vielleicht nicht bezahlen können und die Immobilie verlieren. Tatsächlich aber erhalten Witwer oder Witwen das Familienheim steuerfrei und auch Kinder können 200 Quadratmeter Wohnfläche steuerfrei erben, wenn sie selbst darin wohnen. Daran wird auch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nichts ändern. Worum es geht, sind die riesengroßen Schlupflöcher bei der Übertragung von Familienunternehmen. Und da hat Spahn bereits wieder deutlich gemacht, dass er sich hier für Schutzvorrichtungen einsetzen will.

Geben die Bundesverfassungsrichter der Klage des Neffen statt, ist eine Neuregelung nötig. Meist setzt das Gericht Gesetze nicht sofort außer Kraft, sondern legt ein Datum fest, ab dem eine verfassungskonforme Lage hergestellt sein muss. "Für Unternehmer heißt das: Jetzt wird es bitterernst", warnt eine auf Vermögensfragen spezialisierte Kanzlei ihr Klientel und bietet Beratung an, wie die bisherige Gesetzeslage möglichst noch ausgenutzt werden kann. Günstig für betuchte Familien ist, dass Schenkungen und Erbschaften steuerlich gleichbehandelt werden. Es muss also niemand sterben, damit der Fiskus ausgetrickst werden kann.

Aktenzeichen am BVerfG 1 BvR 804/22