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Die Auseinandersetzung um Krieg und Frieden ist zu wichtig, um sie Politiker*innen und Militärs zu überlassenFoto: ver.di

Wie bewegen sich die Gewerkschaften im Spannungsfeld von Aufrüstung und Sozialabbau? Mit diesem Thema befassten sich Ende September Martin Gross, der bis vor kurzem den ver.di-Landesbezirk Baden-Württemberg geleitet hat, Claudia Haydt von der Tübinger Informationsstelle Militarisierung (IMI), Ralf Chevalier vom Stuttgarter Friedenstreff Nord und Vincent Leuze vom ver.di-Bezirksjugendvorstand. Eingeladen hatte der ver.di-Friedensarbeitskreis

Martin Gross wies darauf hin, dass über Friedenspolitik in ver.di und in den Gewerkschaften insgesamt kontrovers diskutiert werde. Für ihn ist jedoch wichtig, dass die Gewerkschaftsbewegung aus Faschismus und Krieg die Schlussfolgerung gezogen hat, dass es nie wieder Faschismus, nie wieder Krieg geben dürfe.

Davon ausgehend wandte er sich gegen die Aufrüstungspolitik der Bundesregierung. Die von Bundeskanzler Friedrich Merz, CDU, ausgegebene Maxime "Was immer es braucht" könne zu einem "brutalen Sparzwang" bei Sozialem, Bildung, Wohnen etc. führen, warnte Gross. Sie sei auch unnötig, da laut NATO-Generalsekretär Mark Rütte die NATO Russland "unendlich überlegen" sei. Allein die europäischen NATO-Staaten geben viel mehr für Rüstung aus als Russland.

Sicher ohne Rüstungsindustrie

Claudia Haydt setzte sich mit Ministerpräsident Winfried Kretschmann, Bündnis 90/Die Grünen, auseinander. Er will neben dem schon jetzt bestehenden Schwerpunkt am Bodensee weiter eine "potente Rüstungsindustrie" aufbauen. Die Industrie- und Handelskammer (IHK) unterstütze den Trend von Betrieben, weg von der zivilen hin zur Rüstungsproduktion zu gehen. Dabei sei unstrittig, dass damit nur ein kleiner Teil der wegfallenden Arbeitsplätze ersetzt werden könnten. Es müsse um Sicherheit gehen, nicht um Sicherheit gegeneinander.

Ralf Chevalier erinnerte daran, dass im 2. Weltkrieg zwei Drittel der Gebäude in der Stuttgarter Innenstadt zerstört worden seien. Durch die US-Kommandozentralen EUCOM und AFRICOM, die 500 US-Standorte weltweit koordinieren, sei die Stadt auch heute ein potenzielles Angriffsziel in einem Krieg. Seit Jahren setzt sich die Stuttgarter Friedensbewegung für die Schließung der beiden Zentralen ein, die auch US-Kriege weltweit koordinieren.

Gegen Wehrpflicht

Vincent Leuze schließlich stellte die Frage, was es brauche, damit Menschen in den Krieg ziehen? Gegen die Wiedereinführung der Wehrpflicht habe sich ein breites Bündnis gebildet, auch die Jugendorganisationen der Gewerkschaften sprechen sich dagegen aus. Statt ökonomischer Anreize für den Wehrdienst, etwa einen Sold in Höhe von 2.000 Euro, müsste es jungen Menschen möglich sein, durch ihre Arbeit ein selbstständiges Leben führen zu können.

In der lebhaften Diskussion wurde daran erinnert, dass auch in den 1980er Jahren die Friedenspolitik in den Gewerkschaften heftig diskutiert wurde. Völlig unterbelichtet, auch in der gewerkschaftlichen Diskussion, sei die Auseinandersetzung mit dem Grünbuch 4.0 zur zivil-militärischen Zusammenarbeit, mit der die Militarisierung der Gesellschaft zielgerichtet vorgetrieben werde.

Einig waren sich alle darin, dass die Auseinandersetzung um Krieg und Frieden viel zu wichtig sei, um sie Politikern und Militärs zu überlassen. Moderiert wurde die Veranstaltung von Andreas Henke, Pressesprecher des ver.di-Landesbezirks. Hagen Klee rahmte sie musikalisch ein.

Mit der Veranstaltung wurde auch für die Friedensdemonstration am 3. Oktober in Stuttgart mobilisiert. Zu ihr hatten die ver.di-Bezirke Stuttgart, Fils-Neckar-Alb und München sowie der Landesbezirk Baden-Württemberg aufgerufen.