Ausgabe 06/2025
Unser goldenes Zeitalter

Das Aufsehen war programmiert, als im November eine hundert Kilo schwere, funktionsfähige Toilettenschüssel aus reinem Gold für 12 Millionen Dollar versteigert wurde. Wieder einmal ging es um Kunst, und die Kritiker schwärmten über die gelungene "Provokation" des Herstellers Maurizio Cattelan. Sein Fabrikat, "Amerika" genannt, soll "übermäßigen Reichtum" symbolisieren. Gesellschaftskritik also. Offenbar war das Steven Cohen entgangen, dem Wall-Street-Spekulanten und bisherigen Besitzer des Werkes. Mit dem Anstieg des Goldpreises infolge der laufenden Krisen konnte er sein 2017 erworbenes Goldklo nun dreimal so teuer weiterverkaufen. Noch rabiater war vor ein paar Jahren ein weiteres Exemplar des sanitären Kunstwerks entweiht worden. Räuber hatten es aus einer Ausstellung gestohlen und zu Barren geschmolzen.
Zeitgleich zur Versteigerung erlebte die Ukraine einen verwandten Fall. Als die Antikorruptionsermittler die Wohnung des Unternehmers und Selensky-Geschäftspartners Timur Mindich durchsuchten, entdeckten sie in seinem Bad eine goldene Toilette. Das sorgte in der kriegsgeplagten Bevölkerung für mehr Empörung als die millionenschwere Unterschlagung zu Lasten des Energiesektors, weswegen Mindich (vergeblich) gesucht wird. Anders als bei der Kunstaktion war hier die Provokation real. Die Vorstellung, dass ein korrupter Oligarch genüsslich in Gold defäkiert, während Millionen Ukrainer in Schlamm und Schutt überleben müssen, ist für den Patriotismus nicht gerade förderlich.
Im November fand zudem wie jedes Jahr der Welttoilettentag statt, eine Gelegenheit, sich daran zu erinnern, dass die Menschheit sich in zwei Hälften teilt: in diejenige, die über sanitäre Anlagen verfügt, und die andere, deren Alltag man sich kaum vorzustellen vermag. Wäre es vielleicht eine bessere Kunstaktion, auf die Kehrseite des übermäßigen Reichtums zu zeigen? Wie viele öffentliche Toiletten ließen sich mit 12 Millionen Dollar in Armenvierteln errichten? Freilich würde das Ergebnis die Fantasien nicht goldglänzend befeuern. Gold und Kot. Das Wertvollste und das Wertloseste. Zwischen beiden wird von der Psychoanalyse ein inniger Zusammenhang behauptet. Die obsessive Beschäftigung mit dem Gold (oder dem Geld) sei das Zeichen einer infantilen Fixierung auf Analerotik. Nehmen wir in Betracht, dass Ceaușescu, Saddam Hussein und Gaddafi ebenfalls goldene Toiletten besaßen, ist vielleicht etwas dran. Und Donald Trump? Dass er Cattelans Angebot ablehnte, das edle "Amerika"-Klo im Weißen Haus zu installieren, soll eher mit der Angst zusammenhängen, in eine politische Falle zu treten. Ansonsten ließ er seinen Amtssitz voll vergolden. Interessant ist die Erklärung, die er einer Journalistin dafür gab: "Weißt du, was das Besondere an Gold ist? Es gibt keine Farbe, die es imitieren kann." In einer Welt, seiner Welt, in der alles entstellt und in sein Gegenteil verdreht wird, bleibt Gold das einzige nicht fälschbare Medium. Wenn das kein Grund für Anbetung ist!