Mit 14 Monaten Elterngeld in Höhe von 67 Prozent des Nettolohns will die Regierung dafür sorgen, dass sich Vater und Mutter um die Kinder kümmern. In Skandinavien haben ähnliche Regelungen Erfolg

Von THOMAS GESTERKAMP

Vom Elterngeld erhofft sich Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen (CDU) mehr Männer, die ihren Job unterbrechen oder reduzieren. Lohnersatzleistungen und "Partnermonate" sollen Väter ermuntern, sich mehr um ihre Kinder zu kümmern. Dass solche Angebote Wirkung zeigen, belegt das Beispiel Island: Dort gehen inzwischen 90 Prozent der Väter in Elternzeit.

Spielräume männlicher Beschäftigter

Die isländischen Erfahrungen sind Teil eines gerade abgeschlossenen Projektes der Europäischen Union. "Fostering Caring Masculinities", kurz FOCUS, hat die Chancen von Männern untersucht, Fürsorgearbeit in der Familie zu übernehmen. Im Mittelpunkt standen die Spielräume männlicher Beschäftigter am Arbeitsplatz. In Spanien, Deutschland, Slowenien, Norwegen und Island testeten die Forscher je ein privatwirtschaftliches und ein öffentliches Unternehmen. Kulturelle Unterschiede stellten sie schon bei der Auswahl fest. So entwickelte sich in Norwegen ein regelrechter Wettbewerb, an der Studie teilzunehmen. In Deutschland dagegen wollte einer der befragten Betriebe, ein Energiekonzern, lieber anonym bleiben. Im nationalen Bericht taucht deshalb neben dem Umweltbundesamt, das ein besonders flexibles Zeitmanagement entwickelt hat, die fiktive Firma "EnerCom" auf.

"Väterförderung ist ein blinder Fleck", stellt Marc Gärtner fest. Der Politikwissenschaftler war am Berliner Institut Dissens für FOCUS verantwortlich. Im Unterschied zu Skandinavien dominiere hier zu Lande eine traditionelle Aufteilung der Geschlechterrollen - mit der Folge, dass nur wenige Väter Teilzeit arbeiten oder befristet aussteigen. Bisher sind knapp fünf Prozent der Elternzeitler Männer. Immerhin hat sich die Quote seit 2001, als die Möglichkeit zur Teilzeitarbeit während der Babypause erweitert wurde, verdreifacht.

Gärtner rechnet damit, dass das Elterngeld den Väteranteil erneut steigern wird. Bestätigt wird diese Prognose durch die jetzt ausgewertete Praxis der Regelungen in Norwegen und vor allem Island. Auf der Atlantikinsel ist die insgesamt neunmonatige Auszeit in Phasen aufteilt. Drei Monate stehen der Mutter, drei Monate dem Vater zu; über die restlichen Monate können die Eltern dann frei verfügen.

Der Studie zufolge nehmen die isländischen Männer im Schnitt 90 Tage, die Frauen 180 Tage. Die Mütter stillen ihre Säuglinge ein halbes Jahr, dann aber gehen neun von zehn Vätern für ein Vierteljahr in Elternzeit. In der von Männern geprägten Feuerwehr der Hauptstadt Reykjavik soll das zeitweise sogar zu Personalengpässen geführt haben. Dennoch befürworten laut Befragung fast drei Viertel der isländischen Arbeitgeber den Ausstieg der Väter. Das macht die kulturellen Unterschiede deutlich: Papamonate werden in den nordischen Ländern nicht als "Windelvolontariat" diffamiert oder als "staatliche Bevormundung" abgelehnt. Vielmehr herrscht Konsens darüber, dass auch Männer Erziehungsaufgaben verbindlich übernehmen sollen.

Führungskräfte als Rollenvorbilder

Deutsche Personalchefs glauben nicht, dass ihre Mitarbeiter künftig in Scharen an den Wickeltisch abwandern. Für Matthias Lindner vom Bereich Genderpolitik in der ver.di-Hauptverwaltung liegt das an der Verunsicherung der Beschäftigten durch die hohe Arbeitslosigkeit: "Wer Angst hat entlassen zu werden, traut sich nicht, Elternzeit zu beantragen." Notwendig sei eine "betriebliche Kultur, in der auch Führungskräfte andere Rollenbilder vorleben".

Das FOCUS-Projekt: Untersucht wurden im internationalen Vergleich die Chancen von Männern, Beruf und Familie zu vereinbaren und Erziehungsarbeit zu übernehmen. Deutscher Partner war das Berliner Forschungsinstitut Dissens.

Kontakt: Tel. 030/54987530,

www.dissens.de

ver.di fördert Väter

Ein Väterprojekt plant der Bereich Genderpolitik in der ver.di-Bundesverwaltung. Es ist für Betriebs- und Personalräte gedacht und soll sie dazu ermutigen, das Thema "Väter und Partnermonate" aufzugreifen und in Betrieben dafür zu sorgen, dass junge Väter eine Zeitlang zu Hause bei ihren Kindern bleiben können. "Das Gesetz macht das möglicht, aber in vielen Betrieben hieß es schon im Vorfeld, sie wollten die Freistellung für Männer nicht fördern", sagt Matthias Lindner vom Bereich Genderpolitik. "Es geht also um einen kulturellen Wandel in den Betrieben. Am besten wäre es, Vorbilder dafür unter Führungskräften zu finden. Zwar hat nicht jeder das Zeug zum Vorreiter, aber wir wollen zeigen, dass es solche Männer gibt! Und dass ihre Erfahrungen auch betriebswirtschaftlich nützlich sind."

www.inbalance-projekt.de