Drucker in Hessen bewerten das Tarifergebnis nach fünf Wochen Verhandlungen und Streik

Streik bei Euker-Druck.

Mach dich nicht zum Affen; sieh alles, hör alles, sag alles. Nach diesem Selbstverständnis arbeitet die Medienbranche - aber nicht immer. Wenn die "eigenen" Drucker streiken, wird es eigentümlich flau in den Zeitungsspalten. Man sieht nichts, man hört nichts, man sagt nichts. So auch diesmal im Mai. So auch in Hessen. Während der fünfwöchigen Tarifauseinandersetzung um höhere Löhne las man ab und zu eine versteckte Meldung, eher zur Beruhigung der Anzeigenkunden als zur Information der Öffentlichkeit.

Der Weg zum Streik

Es war kein ganz einfacher Gang in den Streik, der in Hessen am 11. Mai für eine Forderung von 6,5 Prozent mehr Lohn und Gehalt begann. Nach dem Abschluss in der Metallindustrie gab ver.di in den Verhandlungen Leine. Aber bei der Drei vor dem Komma verlief die äußerste Schmerzgrenze, zumal die vergangenen Jahre mager ausgefallen sind. Die wichtige Marke wurde nun für 2007 erreicht, 2008 folgen 2,1 Prozent. Und es gibt kein Wackeln in Form von betrieblichen Öffnungsklauseln oder variablen Entgeltbestandteilen. Insofern brauste zwar kein Hosianna durch Hessen, aber sowohl ver.di als auch die Belegschaften finden das Ergebnis respektabel. Hinzu kommt eine Verlängerung des Tarifvertrags über Altersteilzeit.

In Frankfurt verweist man auch auf die Solidaritätsveranstaltung am 5. Juni, dem Tag des Abschlusses. 300 Streikende waren aus den umliegenden Betrieben ins Gewerkschaftshaus gekommen; sogar aus Mainz traf ein Bus ein. In einer Demonstration zogen sie vor das Hotel Arabella in der Innenstadt. Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass von hier noch einmal ein kräftiger Schub ausging für den nächtlichen Abschluss.

Das Ergebnis zu bewerten heißt auch, auf die eigenen Reihen zurückzublicken. Da finden sich die hessischen Drucker ebenfalls respektabel. Einen Bundesvergleich hält ihr Engagement gut aus, sie lagen manchmal darüber. Sicher fällt der kritische Rückblick auch hier und da auf eine schwächere Position. Streik in der Druckindustrie, das bedeutet nicht nur Streik in Zeitungsbetrieben, sondern auch bei den so genannten Akzidenzien, den Einzelaufträgen zwischen den regelmäßigen Arbeiten. "Da ergeben sich Aufgaben für den Blick nach vorn", sagt Berthold Balzer, Fachbereichsleiter in Hessen.

Die Frankfurter Rundschau mit Streiktitelseite

Die Ersten vor dem Tor

Augenfällig war, dass der Streik überall dort energisch ausfiel, wo neben der Lohnforderung betriebliche Konflikte mitschwangen, so beim Darmstädter Echo, wo der Druck ausgelagert werden soll, bei Euker-Druck in Marburg, wo nach dem Austritt aus dem Arbeitgeberverband ein Haustarif erkämpft werden muss und bei der Frankfurter Societäts-Druckerei, die die meisten hessischen Streiktage aufweisen kann. Dort gelang es auch, eine zweite Streikuniversität einzurichten, mit einem Vortrag des Politikwissenschaftlers Frank Deppe.

Erwähnt sei auch die Erfahrung aus Kassel. Die Dierichs-Betriebe greifen seit längerem auf Leiharbeiter zurück. Der Bundesverband für Zeitarbeit hatte ver.di allerdings zugesichert, keine zusätzlichen Leiharbeiter einzusetzen, was er einhielt und was auch dem Manteltarifvertrag entspricht. Alles in allem, so Gerty Poletti von Marburger Euker-Druck: "Wir sind nach den Streiks stärker, durch 50 neue Mitglieder. Wir waren in Hessen die Ersten vor dem Tor. Aber wir sind noch nicht fertig. Am 19. Juni war wieder Streiktag."