Beschäftigte und Bürger/innen entwickeln Alternativen zur Privatisierung - in Norwegen, Schweden, England und Italien

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"Trondheim ist unsere Inspiration!", sagte Jens Stoltenberg, Vorsitzender der norwegischen Arbeiterpartei, nach dem Sieg der Linken bei der Parlamentswahl 2005. Das Programm seiner Regierung gilt als das radikalste aller Staaten in der OECD (Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung). Sie bekennt sich zum Stopp von Privatisierung und zu einer aktiveren Rolle des Staates bei der Leitung von Unternehmen, die er mehrheitlich besitzt - zum Beispiel bei den Eisenbahnen.

Für die Kommunalwahlen 2003 hatte der Gewerkschaftsbund in Trondheim, Norwegens drittgrößter Stadt, ein 19-Punkte-Programm erarbeitet. Es forderte die Abkehr von der Politik des rechten Stadtrates, öffentliche Dienstleistungen an private Anbieter auszuschreiben. Der Gewerkschaftsbund sandte es allen Parteien zu, bewertete deren Antworten und schickte die Ergebnisse an Mitglieder und Einwohner. Arbeiterpartei, Sozialistische Linkspartei und Rotes Wahlbündnis unterstützten die meisten Forderungen und gewannen die Mehrheit im Stadtrat. Umfragen am Wahltag zufolge stimmten 70 Prozent der Gewerk- schafter/innen für die Linken - nach 54 Prozent bei den Wahlen zuvor.

Die neue Ratsmehrheit holte öffentliche Dienste in die Kommune zurück, verlängerte Verträge mit privaten Altenpflegeunternehmen nicht, investierte in öffentliche Schulen und erhöhte - entgegen dem Landestrend - die Sozialleistungen etwa für allein erziehende Mütter. "Schaut auf Trondheim!" wurde zum Slogan für norwegische Linke und Gewerkschaften - auch bei den Parlamentswahlen 2005. Die neue Koalition aus Arbeiter-, Zentrums- und Sozialistischer Linkspartei setzte der Privatisierung ein Ende.

Arbeitsplätze erhalten

Zugleich arbeiteten die Gewerkschaften am Ansehen des öffentlichen Dienstes: Die größte unter ihnen, Fagforbundet, die Gewerkschaft der öffentlichen und allgemeinen Angestellten, setzt auf die Ideen der Beschäftigten selbst. "Modellkommunen" sollen die Ansicht widerlegen, der öffentliche Dienst sei schlecht organisiert. In Pilotprojekten tauschten Beschäftigte und Kunden des öffentlichen Dienstes Vorschläge und Wissen dazu aus, den Abbau von Arbeitsplätzen aber schlossen sie aus. Noch 2007 will Norwegens Regierung diese Strategie auf 100 Kommunen übertragen.

Ein ähnliches Experiment startete Kommunal, die schwedische Gewerkschaft städtischer Angestellter: Sie werden ermuntert, auf Verschwendung hinzuweisen und neue Arbeitsmethoden zu finden. Zugleich aber können sie sicher sein, dass die Innovationen, die sie anregen, ihre Arbeitsplätze nicht gefährden. Lars-Åke Almqvist, Vizepräsident von Kommunal, sieht, dass "einige der Vorwürfe ganz klar berechtigt waren. Also fingen wir an, ein Modell für effizientere, nichthierarchische Organisationen zu entwickeln". Mittlerweile haben 60 Kommunen diesen Ansatz in Bereichen wie Altenpflege und Wasserversorgung übernommen.

Britische Gewerkschaften haben es mit dem Privatsektor auf dessen eigenem Spielfeld - öffentlichen Ausschreibungen - aufgenommen und gewonnen. In Newcastle erhielt Unison, die Gewerkschaft des öffentlichen Sektors, einen Zehnjahresvertrag in Höhe von 250 Millionen Pfund (rund 370 Millionen Euro): Für den Stadtrat verwaltet sie nun das Auszahlen von Sozialleistungen und das Eintreiben von Schulden und Gemeindesteuern. Diese Lösung setzte sich durch gegen das Angebot der British Telecom.

Breite Allianz

Wie in Trondheim beruhte der Sieg der Gewerkschaft auf einer politischen Kampagne - mit einer breiten Allianz gegen Privatisierung und einem Manifest der öffentlichen Dienste. Dexter Whitfield, der die Kampagne als Forscher vorbereiten half, betont die Umsicht der Beschäftigten: Sie waren "auf den Inhalt ihrer Arbeit ebenso bedacht wie auf die erbrachten Dienstleistungen und die Menschen, denen sie rechenschaftspflichtig sind".

Der Selbstvertrauensschub, den die gewonnene Ausschreibung der Gewerkschaft Unison brachte, bewog sie zu einer umfassenden Revision ihrer Strategie für Ausschreibungen. Seitdem hat sie umfangreiche Aufträge für Schulspeisungen und IT-Dienstleistungen in Schulen erhalten und sich dabei gegen private Anbieter durchgesetzt.

"Früher musste man den Stadtrat an den Verhandlungstisch zerren, um ein internes Angebot machen zu können", so Whitfield, "jetzt bittet er darum." Seiner Meinung nach sollten Gewerkschaften in ganz Großbritannien zur Kenntnis nehmen, was in Newcastle erreicht wurde. "Es geht darum zu sagen ,Das schaffen wir!' und dann den Mut zu haben, es wirklich in Angriff zu nehmen."

Bürgerhaushalte als Alternative zum Verkauf

In Italien haben sich viele Kommunen zum Rete del Nuovo Municipio (Netzwerk Neue Kommune) vereint. Es hat sich der "Globalisierung von unten" und der teilhabenden Lokalregierung verschrieben. Kleinstädte wie Grottammare und Pieve Emanuele, aber auch ganze Stadtviertel Roms haben in den letzten zehn Jahren Bürgerhaushalte eingeführt - die bessere Alternative etwa zum Ausverkauf kommunaler Wasserwerke.

Das Modell beruht auf der Idee des "geteilten Managements", bei der die Nutzer einer bestimmten Ressource im Verwaltungsrat vertreten sind, aber auch angrenzenden Bezirken durch einen "Transaktionsrat" eine Stimme gegeben wird. Noch erlaubt das italienische Recht das "öffentlich-lokale Modell" nicht. Allerdings arbeitet das Netzwerk gegenwärtig mit der italienischen Regierung zusammen, um eine Gesetzesänderung zu erreichen.

Eurotopia

Der hier gekürzt veröffentlichte Text von Mathew Little entstammt der Ausgabe 4 von Eurotopia, einer journalistischen Initiative europäischer Zeitschriften - unter anderen Carta aus Italien, El Viejo Topo aus Spanien, Epohi aus Griechenland, Mladina aus Slowenien, Politis aus Frankreich und Red Pepper aus Großbritannien. Die Publikation wurde unterstützt vom Europäischen Gewerkschaftsverband für den öffentlichen Dienst (EGÖD) und dessen Mitgliedern CC-OO (Spanien), CGIL (Italien), Unison (England) und ver.di. Im Internet stehen der komplette Trondheim-Text sowie zwei weitere übersetzte Texte unter http://international.verdi.de/privatisierung. Die vollständige Ausgabe der Eurotopia ist auf englisch erhältlich unter http://international.verdi.de/europapolitik/data/Eurotopia