MARIA KNIESBURGES ist die Chefredakteurin von ver.di PUBLIK

Manch einen heftig bejubelten Boom hat es ja schon gegeben, der dann wie eine Luftblase zerplatzte. Man denke nur an den sagenhaften Höhenflug der IT-Branche und ihren furiosen Crash um die Jahrtausendwende. Derzeit haben wir nicht gleich einen Wirtschaftsboom, aber doch einen vielerseits gefeierten Aufschwung: Die Regierungskoalition wähnt sich auf dem richtigen Weg, alles wird gut. Doch was tatsächlich boomt, sind die Renditen und die Leiharbeit. Mit bösen Folgen.

Seit 2004 hat sich die Zahl der Leiharbeitsplätze auf rund 650000 mehr als verdoppelt. Und das ist kein arbeitsmarktpolitisches Naturereignis, sondern Ergebnis gezielter Politik. Zum Januar 2004 hat die damals rot-grüne Regierungskoalition die gesetzlichen Bestimmungen geändert. Seither dürfen Leiharbeiter unbefristet in einem Betrieb beschäftigt werden. Die Folgen sind grotesk. Firmen, vor allem auch in der Druckindustrie, gründen Leiharbeitsfirmen im eigenen Haus, verschieben ihre Beschäftigten dorthin und leihen sie sich von dort wieder aus. Zu schlechteren Bedingungen für die Beschäftigten, versteht sich. Handelsketten schicken abends und nachts Leiharbeiterkolonnen in die Filialen und sparen sich damit die Zahlung von Zuschlägen und mehr. Und sogar Pflegeeinrichtungen und Krankenhäuser folgen landauf, landab diesem legalen Weg der Lohndrückerei und der Aushebelung von Tarifverträgen. Ursprünglich als Instrument zur Bewältigung vorübergehender Personalengpässe gedacht, wird Leiharbeit zur Dauereinrichtung, die reguläre, gesicherte Beschäftigung verdrängt.

Die Gewerkschaften fordern gleichen Lohn für gleiche Arbeit, haben erste Tarifverträge mit Zeitarbeits-Verbänden erreicht. Und verlangen, dass die gesetzliche Befristung der Entleihdauer wieder eingeführt wird. Wir brauchen eine Politik, die den Missbrauch der Leiharbeit zum Lohndumping und zur Vernichtung sicherer Arbeit verhindert statt fördert. Eine Politik, die es Menschen in Vollzeitarbeit ermöglicht, ihre Familien zu ernähren. Das wäre ein Aufschwung, wie wir ihn wünschen.