MARGRET MÖNIG-RAANE ist stellvertretende ver.di-Vorsitzende

ver.di PUBLIK | Fünf Jahre Hartz-Gesetzgebung: Wer hat gewonnen, wer hat verloren?

MÖNIG-RAANE | Gewonnen hat eigentlich niemand, denn nachhaltiges Wachstum kann mit sinkenden Löhnen, ausgefallenen Sozialabgaben und Steuern und abnehmendem Konsum nicht erreicht werden. Verloren haben alle, die in der Zwei-Klassen-Arbeitsmarktpolitik angekommen sind. Zudem hat die neuere Arbeitsmarktgesetzgebung Lösungen zu Lasten von Frauen konzipiert und umgesetzt.

ver.di PUBLIK | Über die Probleme der unmittelbar Betroffenen hinaus: Was hat insbesondere Hartz IV in den Betrieben und Dienststellen angerichtet?

MÖNIG-RAANE | Es hat den Niedriglohnsektor neu konzipiert, allerdings nicht positiv für unsere Wirtschaft. Auch nicht für die Beschäftigung, denn neue Arbeitsplätze sind durch die Lohnsenkungspolitik nicht entstanden. Zumutbarkeitskriterien, Arbeitsverpflichtung, Ein-Euro-Jobs und Hartz IV als sozusagen flächendeckender Kombilohn haben zu hohem Lohndruck in den Betrieben geführt. Die Problematik des Arbeitsmarktes wurde individualisiert und auf die Schultern der Einzelnen bzw. der Familien gelegt. Das ist für uns nach wie vor nicht akzeptabel.

ver.di PUBLIK | Waren und sind die Hartz-Gesetze ein Programm zur Schwächung der Gewerkschaften?

MÖNIG-RAANE | Das glaube ich nicht. Gleichwohl wirkt sich der Druck auf Arbeitnehmer natürlich auch auf Gewerkschaften aus. Aktuell wird jedoch deutlich, dass die Beschäftigten zwar von den Hartz-Gesetzen oftmals hart getroffen sind, sie aber dennoch weiter um ordentliche Lebens- und Arbeitsbedingungen kämpfen. Und das ist ja der Sinn eines Zusammenschlusses in der Gewerkschaft. Deshalb bin ich sicher: Wir werden wieder erfolgreich sein.

ver.di PUBLIK | Wie schützt die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft ihre Mitglieder vor den Folgen neoliberaler Politik?

MÖNIG-RAANE | Dazu ist selbstverständlich der flächendeckende Mindestlohn ein wichtiges Instrument. Daran arbeiten wir weiter, denn die aktuelle Branchen-Regelung per Entsendegesetz reicht nicht aus. Die Mitglieder schützen sich durch den gewerkschaftlichen Zusammenschluss selber, denn nur so können sie wirksame Gegenwehr unter dem Schutz des Grundgesetzes und vor allem selbst und solidarisch organisieren. Das wirkt auch in der Öffentlichkeit.

ver.di PUBLIK | Was muss jetzt und in den nächsten Jahren geschehen?

MÖNIG-RAANE | Wir brauchen eine andere Konzeption für den Niedriglohnsektor, die den Menschen wieder Beteiligung am Arbeitsleben vermittelt und mit guten Löhnen dafür sorgt, dass die Wirtschaft davon wieder profitieren kann. Im Dienstleistungsbereich muss qualifizierte Arbeit geschaffen werden. Unsere Bundesregierung muss sich wieder von der gesamtwirtschaftlichen Betrachtung leiten lassen. Es darf nicht immer nur um höhere Gewinne von Unternehmen gehen.