Jugendtarifkommission schloss in Baden-Württemberg ihren ersten Tarifvertrag ab

In der Verhandlungskommission der anderen Art: Andreas Schmid, Susanne Hildebrand, Malika Mangold, Yvonne Schellenberger, Thomas Wetzel, Julia Schmidt (v. l.)

Eine Tarifkommission mit einem Durchschnittsalter weit unter 30. Junge Menschen, die Schlange stehen, um in die Gewerkschaft aufgenommen zu werden. Das ist keine Illusion, kein Tagtraum eines Funktionärs und auch nicht Science Fiction.

In Baden-Württemberg hat die ver.di-Jugendtarifkommission der Uniklinika Baden-Württemberg (auch JuTUKA genannt, für Jugendtarifkommission der Uniklinika) kurz vor den Sommerferien einen Tarifabschluss unter Dach und Fach gebracht. Er gilt für die 2000 Auszubildenden der vier Uniklinika des Landes in Ulm, Freiburg, Tübingen und Heidelberg. Einzigartig an der Verhandlungskommission war, dass nur zwei Hauptamtliche dabei waren, die scheidende ver.di-Landesvorsitzende Sybille Stamm und Gerd Dielmann, der früher eine Pflegeschule geleitet hat. Außerdem verhandelten von jedem Standort zwei Kolleg/innen, die entweder noch in der Ausbildung waren oder ihre Ausbildung kurz zuvor abgeschlossen hatten. Dazu kam von jedem Standort ein junges ver.di-Mitglied als Stellvertreter.

Skepsis und Aufsehen

Anfangs sorgte diese Konstellation für Aufsehen. Innerhalb der Großen Tarifkommission wurde das Vorpreschen der Jungen mit einer gewissen Skepsis beäugt. Im Arbeitgeberlager wurden die jugendlichen Gesprächspartner wohl eher unterschätzt, nach dem Motto: "Da kommen ein paar Kiddies, die die Welt verändern wollen." Doch bald mussten alle feststellen, wie es JuTUKA-Mitglied Thomas Wetzel selbstbewusst formuliert, "wir die Experten in Sachen Ausbildung sind. Unser Vorteil war, dass wir die Ausbildungsbedingungen viel besser kennen als die Gegenseite, die oft gar nicht weiß, wie es beispielsweise in den Pflegeschulen zugeht".

"Von Null auf Hundert Tarifarbeit zu machen war aber alles andere als einfach", berichten die JuTUKAs. "Am Anfang kannten wir doch nicht einmal den Unterschied zwischen Tarifvertrag und Ausbildungsvertrag. Und wir hatten keine Vorstellung, wie so eine Verhandlung abläuft", erzählen Julia Schmidt und Malika Mangold. Drei Tage lang haben sie sich auf einer Klausurtagung mit den Forderungen - und mit sich selbst - auseinandergesetzt.

"Anfangs haben wir uns derb gezofft. Schließlich kannten wir uns vorher nicht. Da sind die unterschiedlichsten Charaktere aufeinandergeprallt", erinnert sich Carsten Wagner. Die erste Verhandlung war ein Schock, die zweite noch viel schlimmer, so empfanden es die Neuen. Denn das Ritual, dass die Gegenseite sich Forderungen erst einmal anhört, nicht kommentiert, keine eigenen Vorschläge unterbreitet, war für sie vorher unvorstellbar. "Zuerst fand ich das nur schrecklich", sagt Andreas Schmid. "Aber ihr habt euch super geschlagen", sagt Sybille Stamm.

Durchgeboxt

Die Arbeitgeber mussten ihr Vorurteil, die jungen Leute wollten nur ohne großen Aufwand ihre Ausbildung absolvieren, keine Verantwortung übernehmen und sich durch die Schule mogeln, korrigieren. Die Jugendlichen forderten auch nicht nur mehr Geld, sondern diskutierten über Zeitsouveränität und Qualitätsstandards. Doch der Abschluss kann sich auch in Sachen Vergütung sehen lassen. Mit mehr als 900 Euro im dritten Ausbildungsjahr liegt der Tarifvertrag bundesweit im Spitzenfeld.

Die Forderungen, die von der JuTUKA durchgeboxt wurden, mobilisierten auch die Azubis an den Klinikstandorten, die die Verhandlungen mit ihren Aktionen begleiteten. Am Tag vor dem Durchbruch umzingelten in Freiburg 150 Azubis mit einer Menschenkette das Verhandlungslokal. Und 30 Jugendliche standen Schlange, um bei ver.di Mitglied zu werden. "Die Stimmung war so gut", berichtet Andreas Schmid, "dass ich lieber einen Tag später abgeschlossen hätte, damit wir so eine Aktion in Tübingen auch noch erleben." Über den Abschluss war er trotzdem nicht traurig: Die Ausbildungsvergütungen steigen um etwa sechs Prozent, hinzu kommen viele Verbesserungen im Manteltarifvertrag.

Ein Ergebnis, das selbst alte Hasen neidlos anerkennen. Vielleicht auch ein Modell für andere. Die Leute aus der jungen Kommission sind sich einig: Die Jugendlichen müssten überall stärker in die Tarifarbeit einbezogen werden, von der Entwicklung der Forderungen bis zum Verhandeln.

Im nächsten Jahr wird die Große Tarifkommission an den baden-württembergischen Unikliniken neu gewählt. Mehrere JuTUKAs wollen kandidieren, um sich dann als "Alte" ins Tarifgeschehen zu stürzen und die "neuen Jungen" zu unterstützen.